Ein Pfarrer in der Unterwelt

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singstar72 Avatar

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Zu diesem Buch sollte man zwei grundlegende Dinge wissen. Erstens, das Autorenduo betätigte sich vor dem Beginn seiner Karriere als Krimiautoren auf dem Gebiet der Verfassung von Drehbüchern für Fernsehserien. Zweitens, das Ganze ist als Auftakt einer Serie um den Polizeipfarrer Martin Bauer gedacht. Beides schlägt sich grundlegend in Stil und Aufbau nieder.


Ich finde, das Drehbuchschreiben lässt sich in diesem Krimi nicht verleugnen. Die Sprache ist betont nüchtern, fast schmucklos, und wie auf schnelle Schnitte ausgelegt. Die Dialoge enthalten nur kurze, eher krimitypische Sätze. Man könnte daher bei oberflächlicher Lektüre manche Figuren für gefühllos halten, was aber verfehlt wäre. Die Personen werden eher durch ihr Handeln charakterisiert und ihr Umfeld. Wobei ich eine etwas ausgefeiltere Sprache, gerade für die Frauen, durchaus schöner gefunden hätte.


Die Autoren geben sich sichtlich Mühe, Lokalkolorit zu erzeugen. Der Krimi spielt in Duisburg, und da fließt so manches Detail ein : heruntergekommene Viertel, Stadtgeschichte, ein stillgelegtes Freibad, Parkhäuser und Wohngegenden, Rotlichtviertel, und, für mich besonders gelungen, ein paar Unterhaltungen " anne Pommesbude ". Dittsche lässt grüßen!


Auch dass es der Auftakt einer Reihe ist, wird deutlich, wenn man das Buch nach der Lektüre überblickt. Die Kriminalhandlung an sich ist " solide Kost ", ohne das jetzt abwertend zu meinen. Aber man merkt doch, dass der Fokus eher auf Martin Bauer liegt. Er wird in allen seinen Zweifeln am Glauben realistisch geschildert, und dem Leser plastisch vor Augen geführt. Und am Ende wird klar, dass er noch eine Entwicklung vor sich hat.


Zur Handlung an sich sollte ich wohl auch noch etwas sagen! Es ist ein gut konstruierter Krimi, der durch den scheinbaren Selbstmord eines Polizisten mitten ins Rotlichtmilieu und den Mädchenhandel via Rumänien führt.


Gerade zu Beginn der Handlung um die beiden jungen Rumäninnen, um die es hier geht, würde ich jedoch leichte Abstriche machen, da manches eine Spur klischeehaft daherkommt. Doch das Buch nimmt schon nach kurzer Zeit an Fahrt auf, und führt weitere Elemente ein, welche die Sache spannender machen : eben immer wieder Bauers Zweifel, ob sein Handeln moralisch richtig ist, und wem es nützt. Ferner die vertrackte Familiensituation des toten Polizisten, wobei es die Seele des jugendlichen Sohnes zu retten gilt. Und nicht zuletzt eine nette Nebenhandlung um Bauers eigene Tochter, die auf einer politischen Großdemo verloren zu gehen droht.


Abstriche würde ich wiederum beim Ende des Buches machen. Es gibt zwar einen ganz klassischen Showdown, und die Täter werden gefasst. Jedoch verlassen sich die Autoren meiner Meinung nach hier zu sehr auf Überraschungseffekte, und lassen einige Fäden offen, die aus den bereits erwähnten Nebenhandlungen her rühren. Auch gibt es zwei Personen, die nur kurz im Buch auftauchen, über die ich aber gerne mehr gewusst hätte. Hier habe ich die Hoffnung, dass sie in weiteren Bänden eine Rolle spielen werden.


Insgesamt bin ich von dem Buch, eben als Auftakt einer Reihe, positiv angetan. Es konzentriert sich erkennbar auf seine Hauptfigur, die noch Potenzial nach oben hat. Auch die Diskussionen um den Glauben waren für mich glaubhaft und überzeugend. Martin Bauer ist ein Mensch, den ich gerne kennenlernen würde. Von mir als Fazit vier wohlverdiente Sterne.