Ein zerrissener Charakter

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jackolino Avatar

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Der bekannte Gitarrist und Komponist Marc Sinan hat hier eine Familiengeschichte veröffentlicht, die in großen Teilen seine eigene sein dürfte. Er beschreibt die Suche des Berliner Komponisten Kaan nach seinen eigenen Wurzeln. Er selbst ist Sohn eines Deutschen und einer türkischen Mutter, die wiederum Tochter einer Armenierin und eines Türken ist. Diese Verbindung birgt selbst nach 100 Jahren noch einiges an Sprengstoff, wenn man an den von der Türkei nie zugegebenen Völkermord an den Armeniern denkt.
Wer allerdings eine Geschichtsstunde erwartet, ist bei diesem Buch an der falschen Adresse.
Die Handlung bewegt sich hin und her zwischen Vergangenheit und Gegenwart und zum Schluss sogar der Zukunft und es ist nicht immer leicht, den Erzählsträngen zu folgen. Vor allem seine Träume, manchmal in Gedichte gepackt, sind kompliziert, wenn es darum geht, sich letztendlich für seine armenische Großmutter an dem türkischen Präsidenten zu rächen und diese Rachepläne mit den alten Legenden um Basat und Tepegöz, dem uralten Bruderkampf zwischen Türken und Armeniern verknüpft werden. Aber immerhin wird ihm doch klar, dass blutige Rache nur zu weiterer blutigen Rache führen wird und dass die einzige Chance, das Vergangene zu überkommen, in Vergebung liegt.

Marc Sinan selbst hat wohl versucht, in seiner Musik die Themen um Faschismus, Rassismus und Völkermord zu verarbeiten. Eines seiner Oratorien heißt auch „Gleißendes Licht“, genau wie das Buch. Seine Romanfigur Kaan, der ja nun ebenfalls Musiker ist, wird als zerrissener Charakter geschildert. Ich würde nicht unbedingt von einem Egozentriker sprechen, aber glücklich und in sich ruhend ist er auf gar keinen Fall. Für ihn sind exzessiver Sport und Musik die Kanäle, mit denen er sich von seinen Spannungen befreit, für eine Partnerschaft mit der Mutter seiner Tochter Aurora, Zizi, hat es jedenfalls nicht gereicht.

Rezensionen sind ja nun immer subjektiv und bestimmt hat das Buch ganz vielen Lesern hervorragend gefallen. Mit mir sprach es leider nicht. Allerdings mochte ich das Cover, das die Meerenge des Bosporus zu zeigen scheint.