poetische, alptraumhafte Spirale in die Dunkelheit

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Eine sehr spannende, häufig verstörende Auseinandersetzung mit der türkischen Geschichte und dem türkischen Wesen, dem Völkermord an den Armeniern, und der über Generationen weitergegebenen Schuld, dem Wunsch nach Rache, Vergeltung, Vergebung.

Der Wechsel zwischen den Szenen, den Generationen, Handlungsorten, erlebter und erzählter Vergangenheit sowie der Handlungswelt und der Gedankenwelt des Protagonisten ergibt ein faszinierendes, aber nicht einfach zu verarbeitendes Gesamtbild.
Der Protagonist Kaan ist eine problematische, häufig sehr unsympathische Figur, die sich immer mehr in wahnhaft-zwanghaftem Drang nach Rache und alptraumhaften Szenen, die nicht mehr in der Realität verankert sind, verliert.
Der in Deutschland aufgewachsene, musisch, unpatriachalisch und unmachistisch erzogene Kaan, dem man seine türkischen Wurzeln auch äußerlich nicht ansieht, erhielt doch in den Ferien bei seinen Großeltern in der Türkei immer wieder die gesamte Last der Familiengeschichte und ein männliches Bild von Stärke und Gewalt aufgeladen. In einer Kultur, in der alle mächtigen männlichen Rollenbilder von Kaan Dede, Großvater, genannt werden, vom tatsächlichen Großvater über mythologische Anführer bis hin zum Präsidenten, überrascht es nicht, dass die Überwindung der Vergangenheit zu einem persönlichen Erbe, einer persönlich empfundenen, alles übersteigenden Pflicht wird.

Den musikalischen Hintergrund des Autors merkt man der Komposition der Szenen, der Wiederholung, Spiegelung und Variation von Themen und Motiven, deutlich an, noch dazu mit dem Wissen, dass dieser Stoff tatsächlich zuerst in einem musikalischen Oratorium verarbeitet wurde. Ebenso ist es der autobiographische Hintergrund, der die Geschichte eine solch starke Wirkung entfalten lässt.

Keine leichte, erst recht keine schöne Geschichte, allerdings eine poetisch, literarisch sehr beeindruckende, in der auf der einen Seite das titelgebende gleißende Licht steht, auf der anderen Seite die "ewige Verbindung von Tätern und Opfern", die "Spirale [...], die uns seit Jahrhunderten in die Dunkelheit zieht".