Spannende Familienaufstellung

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buecherundschokolade Avatar

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Vielleicht hatte ich falsche Erwartungen. Erwartet hatte ich einen Roman, der sich anhand von Familiengeschichte mit dem Völkermord an den Armeniern auseinandersetzt. Bekommen habe ich eine deutsch-türkisch-armenische Familienaufstellung.

Der Komponist Kaan, Sohn eines Deutschen & einer türkischen Mutter, reist für ein Stipendium nach Istanbul & wird dort von der Geschichte seiner Familie eingeholt, die ihn nicht mehr loslässt. Da ist sein Großvater Hüseyin, der einst ein Haselnussimperium führte, nur um später allen Reichtum zu verlieren. Oder die geliebte Großmutter Vahide (die Einzigartige), die 1916 als Waise von einer muslimischen Familie adoptiert wurde, tatsächlich aber das Kind armenischer Eltern ist. Weiterhin Kaans Mutter Nur, eine starke Persönlichkeit, die Kaan um jeden Preis assimilieren will. Und natürlich Kaan selbst, ein bisschen alter ego des Autors Marc Sinan, selbst erfolgreicher Gitarrist & Komponist. Kaan macht im Laufe des Romans eine Wandlung durch. In Rückblenden springen wir von der Jetztzeit in Istanbul in seine Kindheit im Deutschland der 80er, Verwandtschaftsbesuche in der Türkei, & in die 1940er zum erfolgreichen Großvater. Und auch ins Jahr 1915 als der Völkermord an den Armeniern beginnt.

Allerdings kommt der Völkermord nur am Rande vor (am Anfang wird der Leser schockiert Zeuge, wie armenische Kinder ins Meer geworfen werden & dann ist das Thema für 150 Seiten verschwunden). Dennoch ist er die Triebfeder für Kaans Handeln & führt in am Ende auf Abwege.

Über den Völkermord, der 1915 mit dem Befehl des türkischen Innenministers zur Deportation von rund zwei Millionen Armeniern in die mesopotamische Wüste begann, hätte ich mehr erfahren wollen. Wobei viele Armenier es gar nicht bis in die Wüste geschafft haben, weil sie in ihren Dörfern ermordet – erschossen, ertränkt, erschlagen, an Kreuze genagelt - wurden.

Insgesamt muss ich das Buch aber loben, es handelt sich um eine gut geschriebene Familiengeschichte & ein Spannungsbogen war durchaus vorhanden.