Zwischen Mythos und Wirklichkeit

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Der deutsch-türkisch-armenische Komponist und Gitarrist Marc Sinan hat mit „Gleissendes Licht“ seinen ersten Roman vorgelegt. Darin verarbeitet er, teils autobiografisch, die türkische und armenische Geschichte des 20. Jahrhunderts bis heute.

Kaan wächst in München auf, seine türkische Mutter Nur floh als junge Frau hierher, um den Chauvinismus ihres Heimatlandes hinter sich zu lassen. Nurs türkischer Vater kam einst zu Ansehen und Reichtum, seine armenische Frau, Kaans Großmutter Anneanne, verlor 1915 ihre Familie durch den Völkermord. Davon wird in Rückblicken erzählt, die Geschichte des ganzen Volkes wird eingeflochten in die Mythologie von Tepegöz. Ein sagenumworbenes Wesen, das nur ein Auge auf der Stirn hat. Mythos und Wirklichkeit verschwimmen, ein konzentriertes Lesen ist unabdingbar. Diese mystische, sehr bildhafte Erzählweise hat mich oft stocken lassen, da mir die türkische Mythologie so gar nicht geläufig ist.

Kaan hat seine erste Freundin Zizi, der erste Teil erzählt davon, es sind auch die Jahre des Studiums. Er, der hochbegabte Musiker, hat Visionen, seine Welt ist die Musik. Er verbringt viel Zeit bei seiner türkischen Familie, daneben und dazwischen schleichen sich die mystischen Gedanken. „Meine Anneanne hatte alles im Gepäck, den Genozid, die Einsamkeit, die Traurigkeit… und diesen Rucksack muss ich jetzt tragen.“ So meint Kaan in der nahen Zukunft.

In das Buch habe ich mich einspüren müssen. Zunächst schien es mir fremd, nur allzu unverständlich. Weglegen oder doch weiterlesen? Es dauerte, bis ich mich einigermaßen zurechtfand. Surreale Momente wechseln sich mit der nachvollziehbaren Wirklichkeit ab. Zum Schluss gibt er seinen Rachegedanken noch Raum. Es ist erkennbar, dass er mit der politischen Situation der Türkei hadert.

Ein außergewöhnliches Buch, ein durchaus poetischer Schreibstil, nicht immer leicht zu lesen.