Ein Schicksal von vielen. Grace.

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Am Anfang der großen Hungersnot in Irland kann Sarah nicht mehr alle ihre Kinder ernähren. In ihrer Not schneidet sie ihrer vierzehnjährigen Tochter Grace die Haare ab, zieht ihr Männerkleidung an und schickt sie auf die Straße, damit sie Arbeit sucht und sich selbst ernährt. Seit dem Sommer des Jahres 1845 sind die Straßen voll mit Hungernden und Grace ist nun eine von vielen. Unbemerkt von der Mutter ist ihr jüngerer Bruder Colly weggelaufen, um sich Grace anzuschließen. Es folgt eine Wanderschaft, bei der es um Leben und Tod geht, in einem Land, das keine Rücksicht nimmt auf die Ärmsten der Armen.

„Was draußen auf die beiden wartet, ist klirrende Kälte, als hätt sie ihnen extra aufgelauert, wie ein Tier, ein gieriges, im Dämmerschein des Morgens, der tief und grob und grau dort hockt. Noch nicht die richtige Winterkälte, obwohl die Bäume sich dicht aneinanderdrängen, alten Männern gleich, die sich zur Strafe nackt ausziehen mussten, und das abgehärmte Land liegt da und wartet.“ (Seite 12)

Grace ist ein widersprüchlicher Charakter, anfangs ist sie kindlich und naiv, mein Mitgefühl ist hoch. Das Leben auf der Straße in dieser schlimmen Zeit verändert sie und stellenweise ertappe ich mich dabei, Abscheu zu empfinden, eine regelrechte Wut auf die junge Frau, die doch einfach nur das Produkt ihres unbeschreiblich grausamen Lebens ist. Ihre zeitweiligen Gefährten aber bleiben für mich blass, was vielleicht beabsichtigt ist, vielleicht auch nicht. Passend zum Land und Zeit ist die Sprache; teils poetisch und anmutig, schnodderig und frech, aber auch altmodisch und anstrengend sind die Sätze, die mir volle Konzentration abverlangen. Es geht um die große Hungersnot, das Leid der Menschen und das Versagen der Regierung, die nicht in der Lage ist, ihrem Volk zu helfen. Eine Zeit, in der es um das nackte Überleben geht, eine Zeit, in der es keine Gnade und kein Mitgefühl gibt, in der sich jeder selbst der nächste ist.

Die Geschichte von Grace steht im Mittelpunkt, darin kommen irische Sagen und Märchen, Lieder und Sprüche, Geister und Wesen aus einer anderen Welt vor. Dies ist natürlich der Zeit geschuldet, wo Aberglaube weit verbreitet war, für mich aber wirkt alles überladen und so, als wollte der Autor so viel wie möglich in die Erzählung reinpacken, dazu historische Fakten mit Fiktion verweben, und leider geht das für mich persönlich gehörig schief. Sperrige Sätze, oft über eine ganze Seite, führen dazu, dass ich nicht weiß, was wahr und was Wahnvorstellung ist. Mystische Ansätze, die aber nie zu Ende geführt werden, verwirren mich immer wieder und führen dazu, dass ich versucht bin, weiter zu blättern, ganze Absätze zu überspringen. Stellenweise ist die Geschichte zwar sehr spannend und fesselt mich ungemein, dann aber folgen Passagen, die ich nicht verstehe, Sätze, die keinen Sinn ergeben. Das letzte Viertel ist für mich eine Qual. Nach fünf Seiten (im wahrsten Sinne des Wortes) sinnlosen Gebrabbel folgen Kapitel, die meine Aufmerksamkeit auf Null runterfahren. Nun fordert die düstere, fast schon depressiv anmutende Erzählung ihren Tribut und ich bin fast schon froh, das Ende erreicht zu haben, das der Story dann letztendlich den Todesstoß verabreicht und mich traurig und enttäuscht zurücklässt. Mich hat das Buch leider nicht erreicht, lediglich der Anfang und der Mittelteil konnten bei mir punkten. Halb zufrieden vergebe ich 3 Sterne.