Modernes Aschenputtel-Märchen im „Rosamunde-Pilcher-Gewand“

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In „Gretas Erbe“ dem ersten Teil der von Nora Engel geschriebenen Trilogie, wird der Leser in ein Winzer-Milieu der 70er Jahre entführt. Vor einer Wein-Kulisse à la Rosamunde Pilcher wird hier das Märchen Aschenputtel auf moderne Weise neu inszeniert.
Die Protagonistin Greta wächst bei den Hellerts, einer alteingesessenen Winzerfamilie, als Ziehkind auf. Ihre Mutter verstarb bei ihrer Geburt. Da sie unehelich im Rahmen einer einmaligen Begegnung gezeugt wurde, nahm ihre damals noch sehr junge und mittellose Mutter den Namen ihres Vaters als Geheimnis mit ins Grab. Von Beginn an muss die verwaiste Greta daher hart arbeiten und erfährt niemals elterliche Liebe. Sie wird von der Adoptivfamilie immer als Rabenkind betrachtet und dementsprechend behandelt. Mit dem Wissen, dass sie nicht wirklich zu dieser Familie gehört, wächst sie auf und behält dennoch ihren Optimismus. Selbst als ihr verwehrt wird, weiter zur Schule zu gehen, obwohl sie begabt und ehrgeizig ist, akzeptiert sie ihre Situation. Dies liegt zum einen daran, dass sie die Arbeit im Weinberg gerne verrichtet, zum anderen aber auch an der Liebe zum rebellischen Robert Hellert, dem schwarzen Schaf der Familie. Er ist Musiker und macht zum Missfallen seines Vaters stets das, was ihm gefällt, ohne auf Konventionen zu achten. Als er ein unwiderstehliches Angebot bekommt, für längere Zeit in die USA auszuwandern, bittet er Greta, mitzukommen. Da Greta noch in der Ausbildung zur Winzerin steckt und sie weiß, dass sie diese beenden muss, um überhaupt eine Chance auf Selbstbestimmung zu haben, lehnt sie zunächst ab. Ein unvermutetes Erbe stellt dann jedoch alles auf den Kopf….

Der Roman vermag es trotz der altbekannten Motivik Spannung aufzubauen. Wer nichts Tiefgründiges erwartet, wird hier nett unterhalten. Wie in Märchen werden lediglich klischeehafte „Typen“ in Schwarz- Weiß entworfen, die den plakativen Kategorien „Gut“ und „Böse“ ohne weiteres zugeordnet werden können. Dennoch hat die Autorin gründlich recherchiert, denn sie streut viele zeitgenössische Ereignisse und Spuren der 60er/70er Jahre in den Text. Leider wirken diese eher "aufgesetzt" und wenig authentisch. Dennoch konnte ich das Buch kaum aus der Hand legen, denn ich hatte das Bedürfnis zu wissen, ob sich Greta befreien kann. Die Autorin beherrscht zudem das Spiel mit der Empathie und dem Mitgefühl der Leser ebenso wie das Kreieren einer romantischen Kulisse. Daher kann ich es mir sogar gut vorstellen, die Folgebände ebenfalls zu lesen.