Der katholische Bulle löst einen weiteren Fall

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buecherfan.wit Avatar

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Mit dem neuen Roman “Gun Street Girl” legt Adrian McKinty den vierten Band einer ursprünglich als Trilogie geplanten Reihe um Sean Duffy, den katholischen Bullen vor. Duffy arbeitet noch immer als einziger Katholik bei der Carrickfergus Royal Ulster Constabulary - umgeben vom protestantischen “Feind”. Er lebt in einem von der UDA, einer Gruppierung protestantischer Extremisten,kontrollierten Viertel, und noch immer ist der Blick unter das Auto auf der Suche nach Bomben notwendige Routine vor jeder einzelnen Fahrt.

Zu Beginn nimmt Duffy mit einer hochkarätig besetzten Spezialeinheit an einem Einsatz an der nordirischen Küste teil. Die Männer versuchen, amerikanische Waffenhändler dingfest zu machen. Die Aktion geht gründlich schief.

In Kapitel 3 wird Duffy an einen Tatort gerufen - ein neuer Fall, der scheinbar nichts mit dem Romanauftakt zu tun hat. Das Millionärsehepaar Kelly liegt ermordet in seiner Villa, der 22jährige Sohn Michael ist verschwunden und macht sich dadurch verdächtig. Zwischen Vater und Sohn soll es Spannungen gegeben haben. Einbruchsspuren fehlen ganz. Dann wird Michael tot aufgefunden. Er scheint sich von einer Klippe gestürzt zu haben und hinterlässt einen Abschiedsbrief, in dem er sich zu der Tat bekennt. Damit scheint der Fall gelöst, nicht aber für Sean Duffy. Er ermittelt weiter und stößt auf Ungereimtheiten. Informationen erhält er auch von seiner alten Bekannten Kate, Agentin beim britischen Geheimdienst M15, die ihn abwerben will, weil sie weiß, wie gut er arbeitet und dass er an seinem derzeitigen Arbeitsplatz keine Aufstiegschancen hat.

Der Fall wird zunehmend komplizierter. Der britische und der amerikanische Geheimdienst sind involviert, und die Ermittler werden von ganz oben ausgebremst, damit brisante Vorgänge nicht bekannt werden.

McKinty greift nicht nur auf tatsächliche weltpolitische Ereignisse um illegalen Waffenhandel zurück, er wählt auch wieder die “Troubles“, die etwa 30 Jahre dauernden bürgerkriegsähnlichen Unruhen in Nordirland, als zeitgeschichtlichen Hintergrund. Dass der Roman im November 1985 einsetzt, ist kein Zufall. In dieser Zeit kam es wegen des geplanten anglo-irischen Abkommens zu besonders heftigen Turbulenzen in der Provinz. Die extremistischen Protestanten fürchteten die Loslösung vom britischen Mutterland, Katholiken sahen die Vereinigung mit der irischen Republik in weite Ferne rücken. Es ist dem Autor hoch anzurechnen, dass er als kenntnisreicher Insider historische Zusammenhänge einer breiten Leserschaft zugänglich macht. Das gefällt mir außerordentlich gut an McKintys Romanen, aber auch die sehr sympathische Figur des katholischen Bullen mit seinem so gar nicht vorschriftsmäßigen Drogen- und Alkoholkonsum. Außerdem ist in diesem Roman auch Platz für die Liebe: eine kurze Affaire mit einer Journalistin und eine Annäherung an die seit langem bewunderte Agentin Kate. Auch sprachlich-stilistisch überzeugt mich der Roman mit gelungenen Dialogen und überaus witzigen Passagen. Bei einem kirchlichen Tanzabend für Singles zum Beispiel suchen die Frauen fluchtartig das Weite, wenn sie erfahren, dass Sean Polizist ist. ("Dass ich Katholik in Carrickfergus war, das war ja schon schlimm genug, aber ein katholischer Bulle? Meine Lebenserwartung rechnete sich in Hundejahren." S. 69).

Mir hat McKintys neuer Roman sehr gut gefallen, und ich werde sicherlich auch die nächsten Titel lesen.