Frau mit Träumen, die ihrer Zeit voraus ist

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buchkathi Avatar

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Eine junge Frau, die sich für das Familienunternehmen interessiert, sich einbringt und sich ihren Mann selbst aussuchen will? Klingt doch wenig außergewöhnlich oder? Wie sagt man so schön: Dafür würde heutzutage keiner mehr ein Fenster aufmachen. Doch Margaretes Geschichte spielt nicht im Hier und Jetzt sondern unmittelbar nach dem ersten Weltkrieg auf Gut Erlensee.
Und hier patriarchaler Vater möchte von seiner Tochter weder Interesse am Unternehmen, noch räumt er ihr Mitspracherecht bei der Männersuche ein. Denn Herrmann ist das, was man wohl landläufig als Ekel bezeichnen würde. Naja und ein Ekel braucht auch eine fiese Ehefrau, die mehr damit beschäftigt ist, alles an ihren Kindern zu kritisieren, als die liebende Mutter zu geben. Immerhin gibt es Oma Ilsegard, die ihren Sohn Herrmännchen auf sehr unterhaltsame Art immer wieder zur Ordnung ruft. Sie hat alles fest im Griff und ist eine patente Frau, die in den Kriegswirren mit ihren Enkelinnen die Familiendruckerei geführt hat.
Und in dieser Zeit hat auch Margarete ihre Liebe zum Unternehmen und für die BWL entdeckt, sie bringt sich ein und wünscht sich, dass ihre Ideen gehört werden. Denn sie ist ihrer Zeit weit voraus: Sie möchte einem Beruf nachgehen, sich selbst verwirklichen und wünscht sich darüber hinaus ein Leben mit einem Mann an ihrer Seite, den sie liebt. Nur leider möchte ihr Vater lieber den Ehemann nach dessen Vermögen aussuchen. Margarete ist dabei sehr sympathisch und man fühlt mit ihr mit, schüttelt aus heutiger Sicht oft den Kopf, weil ihre Wünsche doch selbst verständlich erscheinen und freut sich für sie, wenn es am Ende doch nicht alles so dunkel bleibt, wie es scheint.
Ich habe das Hörbuch zu Gut Erlensee gehört und ich mochte die Figuren von Margarete, Oma Ilsegard und irgendwie auch Herrmann sehr – letzteren natürlich einfach nur, weil es einen Bösen für die Geschichte braucht. Sie sind so unterschiedlich, aber dabei auch total authentisch und man kann sich gut in sie hineinversetzen oder sie eben, wie in Herrmanns Fall, abgrundtief auf den Mond wünschen. In jedem Fall ist man sofort drin in der Geschichte und erlebt ein Stück Historie direkt nach dem ersten Weltkrieg.
Die Sprecherin hat mir auch gut gefallen. Mit ihrer fast rauchigen Stimme kann man ihr angenehm zuhören. Vielleicht hätte es nur an der ein oder anderen Stelle noch etwas mehr Pepp und Spielerei mit der Stimme vertragen können. Aber wer historische Romane mag und sich gerne etwas Gutes für die Ohren tun möchte, sollte bei Gut Erlensee zugreifen.