Allzu unglaubwürdig

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kainundabel Avatar

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Vom Milchwagen angefahren, anschließend von der Straßenbahn, als Kleinkind ins Gehege der sibirischen Tiger gekrabbelt, vom Dach gefallen, vom Blitz getroffen – eine beachtliche Schadensbilanz, die bei ihm „einen bleibenden Eindruck“ hinterlassen habe. Der 12-jährige Juri ist der Sohn des Doktors Zipit, Veterinärmediziner des Hauptstadtzoos von Moskau, wohnhaft ebenda, gleich neben dem Elefantengehege. Und so stellen sich schon beim Lesen des Titels gewisse Assoziationen ein. Aber erstens kommt es bekanntlich anders, als man meistens zweitens denkt. „Genosse Elefant“ entpuppt sich als der „große Führer“ Josef Stalin, auf dessen Datscha Juri unfreiwillig landet. Er erlebt einige Wochen hautnah im brutalen Umfeld der Sowjetmacht und erhält als Vorkoster und enger Vertrauter des mächtigsten Mannes der Sowjetunion tiefe Einblicke in menschliche und politische Abgründe.
Die Leseprobe des Romans empfand ich als erfrischend offene, ehrliche, lakonische, kindlich naive Erzählung des Protagonisten. Im weiteren Verlauf hält der Roman trotz aller Tragik nicht das, was er anfangs verspricht. Nicht selten gerät die Handlung recht langatmig. Für mich ist es trotz aller Fiktionalität eines Romans wichtig, dass Personen und Handlungen real möglich und denkbar sind. Diese Erwartungen erfüllen sich hier allerdings nicht. Ich nehme einem 12-Jährigen diese Stellung bei „Diktators Hofe“ einfach nicht ab. Auch seine Gedankengänge, seine Sprechweise, sein Wissen, sein Verstehen der Dinge passen nicht zu einem Kind dieses Alters.
Wie im Klappentext angekündigt, geht es um die „lustige, traurige, spannende, lehrreiche, herzzerreißende“, aber für mich eben oftmals allzu unglaubwürdige Geschichte Juris.