Meine Tage mit den Mächtigen

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Guten Morgen, Genosse Elefant, Roman von Christopher Wilson, 272 Seiten, erschienen bei Kiepenheuer & Witsch.
Die Erlebnisse des russischen Jungen Juri Zipit, als Vorkoster Stalins.
Der 12jährige Juri lebt mit seinem Vater Doktor Roman Alexandrowitsch Zipit in einer Dienstwohnung im Zoo, sein Vater ist Professor für Veterinärmedizin, sein Fachgebiet Neurologie der Großhirnrinde. Eines Nachts werden die beiden abgeholt und in die Datscha des „Vater des Vaterlands“, Josef Stalins gebracht. Der Stählerne hatte einen leichten Schlaganfall, da Juris Vater nicht viel ausrichten kann, werden die beiden getrennt und Juri bleibt als erster Vorkoster und Spion, in den Diensten „Onkel Josefs“. Seine Erlebnisse dieser Zeit sind in diesem Buch sehr berührend geschildert. Da Juri in der Vergangenheit vom Blitz getroffen, von einer Straßenbahn und einem Milchwagen überfahren wurde, hat er doch so einige Handicaps. Bei emotionalen Ereignissen reagiert er mit epileptischen Anfällen, außerdem kann er nicht immer kontrollieren was er so alles „ausplappert“. Er wird dort Zeuge wichtiger Entscheidungen und epochaler Vorkommnisse und dieses Wissen wird für ihn schließlich sehr gefährlich.
Das Buch ist in überschaubare Kapitel aufgeteilt die mit einem Titel versehen sind. Darunter steht der Ort und das Datum, was sehr hilfreich ist sich in der Zeit zurechtzufinden. Medizinische Fachausdrücke erscheinen kursiv und die Verhaltensmaßregeln die ihm sein Vater ans Herz legte, wie auch ein paar Witze sind fett gedruckt und werden dadurch deutlich hervorgehoben. Wilson hat als Stilmittel die Ich-Form aus der Sicht Juris gewählt. So kann sich der Leser zu jederzeit ganz nah am Geschehen fühlen.
Juri Zipit ist ein, wenn auch etwas naiver, aber doch sehr kluger Junge. Ein liebenswerter Protagonist sein Schicksal hat mich an einigen Stellen zu Tränen gerührt. Trotzdem gab es auch immer wieder Szenen, z.B. mit dem Stählernen, die mich zum Lachen brachten. Stalin ist als grausamer, vulgärer Despot beschrieben, der flucht wie ein Droschkenkutscher. Doch kann er sich nicht der Faszination des Jungen entziehen, die Menschen dazu bringt, ihm seine Geheimnisse anzuvertrauen. Völlig unsympathisch war der sadistische Leiter des Geheimdienstes Marschall Bruchah, der am Ende für seine Untaten büßen muss. Insgesamt hat mich das Buch hervorragend unterhalten und ich konnte es auch schnell durchlesen. Gefallen hat mir, dass trotz traurigen Elementen auch immer wieder Juri durch sein sonniges zuversichtliches Wesen Hoffnung in die Erzählung gebracht hat. Die Charaktere handelten nachvollziehbar und ich konnte dem Plot gut folgen. Am Ende wurde ich noch von einer unvorhersehbaren Wende überrascht.
Wieweit sich die Erzählung mit den tatsächlichen Geschehnissen um die letzten Tage des Generalsekretärs der KPdSU deckt, bleibt der Fantasie des Lesers selbst überlassen. Die handelnden Charaktere können, soweit es die Sowjetfunktionäre betrifft, durchaus historischen Personen zugeordnet werden, denn die Namen wurden kaum verändert. Meine Empfehlung für Leser, die sich für das Leben des Diktators interessieren oder einfach nur formidabel unterhalten werden wollen. Ich vergebe 5 Sterne.