Schräg und unterhaltsam

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lunamonique Avatar

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In „Guten Morgen, Genosse Elefant“ von Autor Christopher Wilson gerät der zwölfjährige Juri Romanowitsch Zipit in eine gefährliche Lage, die ihm jederzeit das Leben kosten könnte.

Juris Vater Zoo-Veterinär Professor Roman Romanowitsch Zipit soll im geheimen Auftrag des Ministeriums für Staatssicherheit einen Genossen behandeln. Generalsekretär Josef Petrowitsch findet Gefallen am Jungen mit dem freundlichen Gesicht und erklärt ihn zu seinem Lieblingstrottel. Jederzeit können die Launen des Mannes aus Stahl Juris Tod bedeuten.

„Papa sagt, mein Aussehen ist ein Betrüger, ein schamloser Lügner. Er sagt, dass ich – auch wenn ich in vieler Hinsicht ein gutes Kind bin, sehr freundlich – halb so gut bin, wie mein Gesicht es andeutet.“ Fremde Menschen vertrauen Juri persönliche, geheime und unnötige Sachen an. Autor Christopher Wilson hat sich eine besondere Hauptfigur ausgedacht. Durch einen Unfall ist Juri langsam und vergesslich, in Spielen wie Dame aber ein Ass. Mit seiner ehrlichen, direkten Art und allerlei neugierigen Fragen geht er ohne Hemmungen auf Menschen zu. Er wird unterschätzt, als Trottel hingestellt. Andererseits kann er nur mit einem Lächeln unbewusst Dinge aus Fremden herauskitzeln, die sie niemandem erzählen wollten. Die Geschichte wird in der Ich-Perspektive aus Sicht von Juri erzählt. Er spricht den Leser auch mal persönlich an. Mit seinem Vater Roman lebt Juri in einer Personalwohnung im Hauptstadtzoo. 1954 in der Union der sozialistischen Sowjetrepubliken sind alle der Willkür der Staatssicherheit ausgeliefert. Mit dem Geheimauftrag für Roman beginnt die Ungewissheit. Bald ist Juri auf sich allein gestellt. Was mit seinem Vater passiert ist, bleibt Zeit offen. Der Fokus liegt über lange Strecken des Romans auf den Dialogen zwischen Generalsekretär Josef Petrowitsch und Juri. Die Mächtigen, ihre Ansichten, Ängste, Strategien und Verschwörungen werden auf die Schippe genommen. Wer ist der Schlimmste von allen? Es scheint keinen Ausweg für Juri zu geben. Er wird zum Spielball des Generalsekretärs und der Geschehnisse. Autor Christopher Wilson erzählt Juris Geschichte herrlich schräg und humorvoll. Der Machtwahnsinn funktioniert auch als Seitenhieb auf aktuelle Politiker. Originelle Details, wie die politischen Regeln beim Dame-Spiel, lockern die Satire auf. Ein bisschen langatmig wirken zeitweise die Gespräche. „Man weiß nie, was Menschen widerfährt – sie können verschwinden, sich verdoppeln oder ungeschehen gemacht werden.“ Eine wirklich unglaubliche Geschichte, die Juris bröckelnde Naivität in Szene setzt. Er durchschaut viel mehr, als Andere denken. Ende und Ausklang sind gut gelungen.

Mit wenigen Mitteln erregt das kreative Cover Aufmerksamkeit. Details und Titel ziehen die Blicke aufs Buch. Machtspiele, Intrigen, Verfolgungswahn, „Guten Morgen, Genosse Elefant“ nimmt mit schwarzem Humor Stalin und Konsorten aufs Korn. Die wenigen Längen des Romans verzeiht man gerne.