Die düsteren Seelenwelten zweier einst unschuldiger Kinder

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Inhalt: Möchte man gewisse „Unannehmlichkeiten“ loswerden, wendet man sich an Hades Archer, Herr der Unterwelt mit aktuellem Sitz in Sydney, genauer gesagt einer Mülldeponie. Auf seinem schaurig wirkenden Grund hat er bereits viele Spuren von Verbrechen verschwinden lassen. Eines Tages werden ihm wie üblich zwei unerwünschte Leichen gebracht. Doch eines ist anders: Es sind nicht die Leichen von Bösen. Es sind unschuldige Kinder und sie leben noch! Sie sind lediglich Teil eines gescheiterten Plans, da sie eigentlich nur entführt und gegen ein hübsches Lösegeld freigelassen werden sollten. Doch die Kinder mussten ansehen, wie ihre Eltern getötet wurden. Letzter Ausweg: Endstation Hades. Dieser macht kurzen Prozess und tötet den Lieferanten. Hades wird der Ziehvater der kleinen Kinder und damit beginnt die Geschichte von Eden und Eric. Die Spannung ist von Anfang an gegeben. Denn die erste schlüssige Frage ist doch, welche Persönlichkeit Eden und Eric angesichts eines solchen Erziehungsberechtigten entwickeln werden?

20 Jahre später: Die Archer Geschwister sind bei der Mordkommission unterstellt. Frank Bennett arbeitet fortan mit Eden zusammen, die ihren Partner Doyle verloren hat. Beschrieben wird Eden als schön, dunkel, distanziert und ebenso wie ihr Bruder von einer unterschwellig aggressiven Aura umgeben. Aus unerklärlichen Gründen verspürt Frank gegenüber Eric eine unmittelbare Abneigung und fühlt sich unbehaglich in seiner Gegenwart. Der erste Fall führt das Team an den Yachthafen. Der Augenzeuge, ein Junkie, beobachtete einen Mann, der mitten in der Nacht mit einer schweren Ladung in den Hafen fuhr. Als dieser von seinem heimlichen Beobachter Wind bekam, befand sich der Junkie plötzlich an eine silberne Kiste gekettet auf dem Weg gen Meeresboden. Er konnte sich befreien und berichtete den zunächst ungläubigen Polizisten von weiteren Kisten auf dem Meeresgrund - Kisten voller Leichen, sämtliche Organe entnommen.


Meinung: Der Schreibstil gefällt mir gut und auch die wechselnde Zeitperspektive zwischen den Kindheitstagen in der 3. Person und dem aktuellen Kriminalfall aus der Sicht von Frank Bennett und auch des Täters. Auf diese Weise erhält der Leser viele Informationen auf dem Weg zur Enthüllung der Geschichte.
Doch bezüglich der eigentlichen Handlung bin ich zwiegespalten:

(+) Die Autorin hat definitiv gute Recherchearbeit geleistet, indem sie Einblicke in die Polizeiarbeit gewährt und dabei Kriminalliteratur mit einem Psychothriller verbindet. Die Geschichte geht flott voran, lässt kaum Zeit zum Atmen und überrascht mit ein paar Wendungen. Insgesamt ein spannender Mordfall. Dabei verschwimmt aber auch die hauchdünne Linie zwischen Gut und Böse während der gesamten Handlung und regt zum Nachdenken an:
"Keiner ist besser als der andere. Und irgendwelchen Dreck am Stecken hat doch jeder" (S. 55).

(-) Eben diese düstere Seite der menschlichen Natur ist allgegenwärtig und meiner Meinung nach etwas zu stark bei allen ausgeprägt.
Bis auf Hades, kann ich mit keiner der Hauptfiguren sympathisieren. Eden und Eric waren sehr jung, als sie das erste mal töteten. Sie kennen nur Gewalt und Rache. Die eigenen Eltern auf eine solch grausame Weise zu verlieren, ist unumstritten kaum für eine (kindliche) Seele zu ertragen. Doch dass dieses Trauma allein für ihre affektiven Psychosen verantwortlich zu sein scheint, finde ich etwas überzogen. Eden und Eric wirken mir zu abgerichtet und kalt, als hätten sie jegliche Menschlichkeit verloren. Eric noch mehr als Eden. Manches Mal musste ich mich fragen, wer hier die eigentlichen Unmenschen sind. Denn Tiere zu töten kann wohl nicht zur Vergangenheitsbewältigung beitragen. Hades erkennt die Killerinstinkte "seiner" Kinder und versucht diese gegen die wirklichen Verbrecher zu richten.


Fazit: Irgendwie habe ich von dem Buch etwas anderes erwartet. Während des Lesens wanderte ich oft auf einem schmalen Grad zwischen Mögen und Nicht-Mögen. Die Spannung, das allgemeine Gerechtigkeitskonzept (Die Serie Dexter lässt grüßen) und die dadurch angestoßene Reflexion über moralische Fragen nach Recht vs. Unrecht machen die positive Seite der Waagschale aus, aber die gewählte Gefühlskälte und Brutalität bringen diese gleichzeitig ins Wanken. Ich hätte mir eine facettenreichere Persönlichkeit gewünscht, als zwei soziopathisch anmutende Hauptfiguren, die sich in Selbstjustiz üben. Vielleicht erleben wir im nächsten Band Eden noch eine Wandlung.