Ein Haushalt - unterschiedliche Leben

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
pepe.vie Avatar

Von

In "Halbe Leben" erzählt Susanne Gregor von einer Zweckwohngemeinschaft aus dem Blickwinkel von drei Frauen: aus dem Blickwinkel der beruflich erfolgreichen Architektin Klara, die mit ihrem Mann und ihrer Tochter Ada in einem Haus in Oberösterreich wohnt; aus dem ihrer Mutter Irene, die nach einem Schlaganfall bei ihnen einzieht und Unterstützung benötigt, und aus dem von Paulína, der 24-Stunden-Pflegerin aus der Slowakei, die im Zwei-Wochen-Rhythmus zwischen diesem Haushalt und ihrer Familie in der Slowakei pendelt. Susanne Gregor entwickelt durch den Perspektivenwechsel und eine klare Sprache eine wunderbare Geschichte, die viel offenbart. Schnell wird klar, Selbst- und Fremdbild unterscheiden sich deutlich. Was die eine als Geschenk versteht, nimmt die andere als Übergriff war ... Dennoch wirkt jede der Frauenfiguren für sich authentisch und agiert in ihren Eigenlogik nachvollziehbar. Das Buch holt mich als Leserin Schritt für Schritt sehr gut ab und macht die komplexen Ebenen dieser Zweckgemeinschaft deutlich. So stellt sich beispielsweise die Frage, für wen Paulína arbeitet: für Irene, der sie assistiert, oder für Klara, die sie bezahlt. Und wie lassen sich deren unterschiedliche Bedürfnisse unter einen Hut bringen? Es sind die kleinen Gefallen und Grenzüberschreitungen sowie die kleinen dosierten Zurückweisungen, die diesen Roman auszeichnen.

Das Cover mit zwei Frauen beim Picknick lässt den Eindruck entstehen, es bestünde Harmonie. Mit seinen bunten Farben offenbart es aber nicht, was dahinter liegt. Auf knapp 200 Seiten erzählt Susanne Gregor einzelne Teile der Geschichte, die mit Irenes Schlaganfall und Paulínas Einzug beginnt. Gerne wäre ich noch tiefer in diese Geschichte eingetaucht. Aufgrund der klaren und schönen Sprache, der interessanten Frauenfiguren und der Wichtigkeit des Themas eine klare Leseempfehlung!