Fesselnde Lektüre

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readaholic Avatar

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Die alleinerziehende Slowakin Paulina nimmt in Österreich in einer Familie eine Stelle als Altenpflegerin an. Dort kümmert sie sich um die etwa 70jährige Irene, die seit einem Schlaganfall Hilfe benötigt. Irenes Tochter Klara ist eine Karrierefrau, die die Verantwortung für ihre Mutter nur allzu gern abgibt. Paulina ist bald unersetzlich. Sie kümmert sich nicht nur mit großem Einfühlungsvermögen um Irene, sondern kocht für die ganze Familie und hält das Haus in Ordnung, was eigentlich nicht zu ihrem Aufgabenbereich gehört. Bald werden diese zusätzlich ausgeführten Arbeiten für Klara und ihren Mann Jakob selbstverständlich, und sie beginnen, immer mehr Gefälligkeiten einzufordern, wofür sie Paulina von Zeit zu Zeit zusätzlich entlohnen. Trotzdem fühlt sich Paulina mit der Zeit ausgenutzt und baut Ressentiments gegenüber ihren Arbeitgebern auf. Sie bleibt jeweils für zwei Wochen am Stück im Ausland, während dieser Zeit werden ihre beiden Söhne von der Ex-Schwiegermutter betreut. Bald merkt Paulina, dass sich die beiden von ihr entfremden und sich auch in der Zeit, in der sie zuhause in der Slowakei ist, von ihr abwenden. Sie versucht, die Söhne mit Geschenken zu bestechen, doch die Distanz bleibt, ihre Söhne nehmen ihr die ständige Abwesenheit übel.
Als Leser weiß man von Anfang an, dass Klara bei einer Wanderung mit Paulina bei einem Sturz ums Leben kommt, und man fragt sich unwillkürlich, ob es ein Unfall war oder Paulina dabei eine Rolle gespielt hat.
Ich fand das Buch absolut fesselnd. Susanne Gregor ist eine sehr gute Beobachterin, die Situationen mit großem psychologischem Gespür beschreibt und sprachlich auf den Punkt bringt. Nicht nur Paulinas Entwicklung ist sehr glaubhaft und nachvollziehbar geschildert, auch Irenes fortschreitende Verwirrtheit und die von ihr erlebte Vermischung verschiedener Zeitebenen, die für sie gefühlt alle gleichzeitig passieren, ist unglaublich gut beschrieben. Für mich ist „Halbe Leben“ einer der besten Romane, die ich in letzter Zeit gelesen habe. Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass dieses großartige Buch ein schöneres Cover erhält, denn das Bild auf dem Umschlag finde ich ausgesprochen hässlich. Absolute Leseempfehlung!