Großartige Aufarbeitung der Problematik der 24-Stundenpflege

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elkestricker Avatar

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Geschildert wird in diesen schmalen Roman auf eindringliche Weise das Leben der österreichischen Karrierefrau Klara, einer gutverdienenden erfolgreichen Mitarbeiterin eines Architekturbüros und das der slowakischen Pflegekraft Paulina, die im 2-Wochen-Rhythmus die Betreuung von Klaras Mutter übernimmt, die durch einen Schlaganfall auf Hilfe angewiesen ist. Beide haben Kinder, beide sind aus finanziellen Gründen gezwungen für den Familienunterhalt zu arbeiten. Da enden jedoch schon die Gemeinsamkeiten.
Während für Klara die Regelung über die Agentur die beiden Pflegekräfte Paulina und Radek im 14-tägigem Wechsel zu engagieren perfekt scheint, da sie ihren Beruf liebt und dort sehr erfolgreich, wenn nicht unentbehrlich ist, zeigt sich für Paulina mehr und mehr, dass sie die Arbeit in Österreich mehr und mehr belastet. Sie verliert den Kontakt zu ihren Kindern, die Ex-Schwiegermutter, die die Kinder in ihrer Abwesenheit betreut hat nur Vorwürfe für sie. Während Klara die Entfremdung zu ihrer Tochter Ada hinnimmt, verzweifelt Paulina an der zunehmenden Distanz zu ihren Söhnen.
Bleibt das Verhältnis zur ausgezeichneten zweiten Pflegekraft Radek sehr formell, versucht die Familie Paulina mehr und mehr zu vereinnahmen und will nicht wahrhaben, dass diese sich zunehmend unverstanden fühlt und Abstand halten möchte.
Im Roman wird das Ende mit dem Tod Klaras vorweggenommen und wer auf eine Aufklärung im Sinne eines Krimis hofft wird enttäuscht. Statt dessen wird die Problematik des Wohlstandsgefälles zwischen Ost und West offen gelegt, wo wir die Pflege unserer engsten Angehörigen nur zu gerne fremden Fachkräften überlassen. Selten hat mich ein Roman so berührt, beleuchtet er doch ganz eindringlich das Dilemma der modernen Mutter, die halb im Beruf und halb in der Familie ihre Erfüllung finden soll und zwischen diesen beiden Leben aufgerieben wird, weil für die eigenen Bedürfnisse kein Raum bleibt.
Halbe Leben erzählt von zwei Frauen, die grundverschieden und sich doch so ähnlich sind.