Keine leichte, aber wirklich wichtige Lektüre

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Keine leichte, aber wirklich wichtige Lektüre
In ‚Halbe Leben‘ geht es um Klara, die als gefragte Architektin wohlhabend genug ist, ihren Mann seinen Müßiggang als Fotograf und ihrer Tochter ein verwöhntes Leben zu ermöglichen. Darin kommt sie selbst allerdings so gut wie nicht vor, da sie ja arbeitet, was sie auch durchaus so möchte. Als dann ihre Mutter Irene ein Pflegefall wird, sind zwei Pfleger aus Osteuropa schnell gefunden, die Klara auch hier den Rücken freihalten. Besonders eine davon, Paulina, ist bei allen beliebt, da sie sich nicht nur hervorragend um Irene kümmert, sondern auch um den Rest der Familie. Doch auch Paulina hat Familie und muss für ihren Pflegejob ihre zwei Teenager-Söhne alle zwei Wochen für zwei Wochen der Obhut ihrer Schwiegermutter übergeben. Als einer davon einen Unfall hat, Klaras Familie aber einen Urlaub geplant hat, eskaliert die Situation unterschwellig und das alles kein gutes Ende nimmt, verrät ja schon der Klappentext…
Dieses Buch kam mir vor wie die Romanform von Teresa Bückers Kolumne ‚Ist es radikal, alle Care-Arbeit selbst zu erledigen‘, die mich sehr berührt hat, als ich sie zum ersten Mal gelesen habe. Es ist einfach unmöglich, Care-Arbeit in unserer gegenwärtigen Gesellschaft ‚richtig‘ zu machen. Macht man sie selbst, steht man nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung. Lagert man sie aus, verursacht es anderswo Konsequenzen, wie das Buch so detailliert ausmalt. Und dabei ist ja noch gar nicht der zwischenmenschliche Aspekt berücksichtigt.
Halbe Leben ist kein schönes Buch, aber ein wichtiges. Ich hoffe, dass viele Menschen es lesen und sich etwas in unserer Gesellschaft ändert, so dass Frauen, die ja überwiegend pflegen, nicht in alle Ewigkeit zum ‚Halben Leben‘ verdammt sind.