Porträt zweier Frauenleben

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petris Avatar

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Klara ist erfolgreich im Beruf, sie liebt ihre Arbeit und überlässt Haushalt und Tochter lieber ihrem Mann Jakob und ihrer Mutter Irene. Doch nach dem Schlaganfall der Mutter ist alles anders, sie muss Stunden reduzieren, sich kümmern, hat das Gefühl, dass es nie reicht und ist eigentlich nur dann zufrieden, wenn sie wieder in der Arbeit ist. Die Idee kommt eigentlich von ihrem Mann, ihre Mutter soll in Zukunft bei ihnen wohnen und es soll zusätzlich eine Pflegerin angestellt werden.
In Paulína, die aus der Slowakei kommt, finden sie eine verlässliche Frau, die ihnen schnell auch sympathisch ist und die sie, wie sie meinen, gut behandeln. Dass immer mehr Gefallen dazu kommen, dass Paulína in ihrer Heimat selbst zwei Söhne hat, dass es hinter der Fassade der freundlichen, patenten Frau auch noch ein eigenes Leben steht, wird nicht wirklich wahrgenommen.
Doch auch Klara hadert manchmal, mit der fehlenden Nähe zu ihrer Tochter, damit, dass ihr Mann zwar sagt, dass er sie versteht, aber die Gesten dazu dann trotzdem fehlen.
Susanne Gregor porträtiert hier zwei Frauen, die beide den Anforderungen und Zwängen ihres Daseins als Frauen ausgesetzt sind. Die eine, verlassen von ihrem Mann, den wirtschaftlichen Zwängen, die es ihr nicht erlauben, als Krankenschwester in ihrem Heimatland, genug für sich und die Söhne zu verdienen. Die andere, die ihre Karriere liebt, dafür mit dem Gefühl der Fremdheit zu ihrer Tochter bezahlt.
Beide Leben zeigen, wie schwer es ist als Frau jemals genug zu sein. Immer ist es zu wenig, immer kommt etwas oder jemand zu kurz. Und immer sind es die Frauen, die alles regeln müssen.
Das alles erzählt Susanne Gregor sehr sachlich. Es ist ein Porträt von sehr unterschiedlichen Frauen, gleichzeitig auch ein Blick auf ein Europa, das noch weit entfernt von Gleichheit ist. Es ist ein Blick aufs Muttersein unter verschiedensten Umständen und es wirft auch einen Scheinwerfer auf die vielen Pflegerinnen aus Rumänien, Bulgarien, der Slowakei, …
Ich fand den Roman sehr interessant, gut zu lesen, sehr stimmig. Es ist aber kein Wohlfühlbuch, kein Buch, das die Leserin mit einem guten Gefühl zurücklässt. Es ist ein Roman, der zum Nachdenken anregt. Über Rollenbilder, Ungleichheit, Familien, Mutterschaft, …
Ein spannendes, sehr lesenswertes Buch!