Sogwirkung

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Manchmal braucht es keine epischen Romane, um eine Geschichte zu großen Fragen zu erzählen – „Halbe Leben“ ist der beste Beweis dafür. Auf wenigen Seiten entfaltet Susanne Gregor eine spannende Geschichte über Ungleichheit, Nähe und Abhängigkeit, die mich von Anfang bis Ende in ihren Bann gezogen hat.

Auf der ersten Seite des Romans erfährt man vom plötzlichen Tod von Familienmutter Klara, die im Beisein von Paulína, einer slowakischen Pflegekraft, die Klaras Familie unterstützt, einen tödlichen Unfall hat - oder war das kein Unfall? Auf den folgenden Seiten des Romans erfährt man mehr Verhältnis zwischen Klara und Paulína. War Paulína nur eine Angestellte? Oder schon eine Freundin? Und wie freiwillig sind Freundschaften, wenn ein Machtgefälle zwischen zwei Menschen besteht?

Gregor schreibt in einer präzisen, eindringlichen Sprache, die mir sehr gut gefallen und mich in ihren Bann gezogen hat. Die feinen sozialen Dynamiken zwischen Paulína und Klaras Familie sind scharf beobachtet und regen zum Nachdenken über die Verteilung von Care Arbeit und Pflege an und vor allem hat mir gefallen, dass keine einfachen Antworten gegeben werden. Vor allem die Frauenfiguren sind komplex und widersprüchlich, einzig der Familienvater wirkt manchmal vielleicht etwas überzeichnet.

Ein intensiver, kluger Roman über soziale Ungleichheit, Abhängigkeiten und das, was zwischen Menschen unausgesprochen bleibt!