Porträt einer Mutter
Halbinsel von Kristine Bilkau ist der erste Roman, den ich von der Autorin gelesen habe. Er ist für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert, und es würde mich sehr freuen, wenn die Autorin den Preis bekommt. Es ist das Porträt einer früh verwitweten Mutter, die nach dem Zusammenbruch ihrer 25jährigen Tochter Resonanz über die vergangenen Jahre zieht.
Annett, 49, lebt auf einer Halbinsel im nordfriesischen Wattenmeer. Sie ist Bibliothekarin und hat ihre Tochter Linn allein großgezogen. Trotz Geldmangel hat sie sich immer bemüht, Linn alle Wünsche zu erfüllen, und ihr ein Studium mit Auslandsaufenthalten in Rumänien und Schweden ermöglicht. Linn hatte dort im Rahmen ihres Umweltmanagementstudiums an Aufforstungsprojekten teilgenommen. Nach dem Studium hat sie einen gut bezahlten Job bei einem renommierten Unternehmen in Berlin bekommen.
Eines Morgens bekommt Annett die Mitteilung, dass Linn bei einem Vortrag zusammengebrochen ist. Sie fährt sofort ins Krankenhaus, wo die beiden vereinbaren, dass Linn zu Hause an der Nordsee wieder zu Kräften kommen soll.
Annett versteht nicht, was mit Linn passiert ist, die doch immer alles richtiggemacht hatte und nie aus der Reihe getanzt ist. Sie forscht nach, was genau an dem Tag, an dem Linn zusammengebrochen ist, passiert ist und zieht Resonanz über die vergangenen fünfundzwanzig Jahre. Sie denkt noch oft an den Tag, an dem Johan nicht vom Laufen zurückgekehrt war und ab dem ihr die alleinige Verantwortung für die fünfjährige Tochter zufiel.
Mutter und Tochter führen tiefsinnige Gespräche über die Vergangenheit. Sie machen Wattwanderungen und werden schier von der Kraft der Natur überwältigt, als ein Pferd im Watt verschwindet. „Ich sehe ihn ständig vor mir, nachts auf dieser Sandbank. Ich kann dir nicht sagen, wie traurig mich dieses Bild macht. Als würde er vor uns, vor dieser Welt davonlaufen.“ (S. 190)
Linn erzählt ihrer Mutter von den Umweltprojekten, die sie betreut hatte und von ihren Zweifeln, ob die „Wohltätigen“ wirklich wohltätig sind. Dann ist da noch der Regressanspruch des Hotels, in dem Linn bei ihrem Zusammenbruch ein wertvolles Gemälde beschädigt haben soll.
Auf relativ wenigen Seiten spricht die Autorin sehr viele Themen an. Der Schreibstil gefällt mir unheimlich gut, das Wattenmeer ist wundervoll beschrieben, doch besonders ergriffen war ich von Annetts Gefühlen ihrer Tochter gegenüber: „Alle diese Jahre, diese gesamte Zeit schien mir so überschaubar, so verschwindend schnell vergangen, als stünde ich an einer Bahnschranke und ein Zug rast vorbei, da kommt er, da ist er, da fährt er, und dann höre ich nur noch sein Rauschen aus der Ferne wie ein Echo. Schwanger werden, ein Kind zur Welt bringen, den Partner verlieren, das Kind großziehen, es davongehen sehen, diese Jahre: hier, das sind sie gewesen, und hier, das sind die Fehler, die du gemacht hat.“ (S. 198)
Den Roman empfehle ich vor allem Müttern, denn wer von uns fragt sich nicht, ob man bei der Erziehung alles richtiggemacht hat: „Der Blick auf das Kind – was davon ist Projektion der eigenen Ängste, der eigenen unerfüllten Wünsche, der im eigenen Leben nicht erreichten Ziele und Ideale?“
Annett, 49, lebt auf einer Halbinsel im nordfriesischen Wattenmeer. Sie ist Bibliothekarin und hat ihre Tochter Linn allein großgezogen. Trotz Geldmangel hat sie sich immer bemüht, Linn alle Wünsche zu erfüllen, und ihr ein Studium mit Auslandsaufenthalten in Rumänien und Schweden ermöglicht. Linn hatte dort im Rahmen ihres Umweltmanagementstudiums an Aufforstungsprojekten teilgenommen. Nach dem Studium hat sie einen gut bezahlten Job bei einem renommierten Unternehmen in Berlin bekommen.
Eines Morgens bekommt Annett die Mitteilung, dass Linn bei einem Vortrag zusammengebrochen ist. Sie fährt sofort ins Krankenhaus, wo die beiden vereinbaren, dass Linn zu Hause an der Nordsee wieder zu Kräften kommen soll.
Annett versteht nicht, was mit Linn passiert ist, die doch immer alles richtiggemacht hatte und nie aus der Reihe getanzt ist. Sie forscht nach, was genau an dem Tag, an dem Linn zusammengebrochen ist, passiert ist und zieht Resonanz über die vergangenen fünfundzwanzig Jahre. Sie denkt noch oft an den Tag, an dem Johan nicht vom Laufen zurückgekehrt war und ab dem ihr die alleinige Verantwortung für die fünfjährige Tochter zufiel.
Mutter und Tochter führen tiefsinnige Gespräche über die Vergangenheit. Sie machen Wattwanderungen und werden schier von der Kraft der Natur überwältigt, als ein Pferd im Watt verschwindet. „Ich sehe ihn ständig vor mir, nachts auf dieser Sandbank. Ich kann dir nicht sagen, wie traurig mich dieses Bild macht. Als würde er vor uns, vor dieser Welt davonlaufen.“ (S. 190)
Linn erzählt ihrer Mutter von den Umweltprojekten, die sie betreut hatte und von ihren Zweifeln, ob die „Wohltätigen“ wirklich wohltätig sind. Dann ist da noch der Regressanspruch des Hotels, in dem Linn bei ihrem Zusammenbruch ein wertvolles Gemälde beschädigt haben soll.
Auf relativ wenigen Seiten spricht die Autorin sehr viele Themen an. Der Schreibstil gefällt mir unheimlich gut, das Wattenmeer ist wundervoll beschrieben, doch besonders ergriffen war ich von Annetts Gefühlen ihrer Tochter gegenüber: „Alle diese Jahre, diese gesamte Zeit schien mir so überschaubar, so verschwindend schnell vergangen, als stünde ich an einer Bahnschranke und ein Zug rast vorbei, da kommt er, da ist er, da fährt er, und dann höre ich nur noch sein Rauschen aus der Ferne wie ein Echo. Schwanger werden, ein Kind zur Welt bringen, den Partner verlieren, das Kind großziehen, es davongehen sehen, diese Jahre: hier, das sind sie gewesen, und hier, das sind die Fehler, die du gemacht hat.“ (S. 198)
Den Roman empfehle ich vor allem Müttern, denn wer von uns fragt sich nicht, ob man bei der Erziehung alles richtiggemacht hat: „Der Blick auf das Kind – was davon ist Projektion der eigenen Ängste, der eigenen unerfüllten Wünsche, der im eigenen Leben nicht erreichten Ziele und Ideale?“