tolle Entdeckungsreise!
Will man die Fehler der eigenen Mutter bei der Kindererziehung nicht wiederholen – mehr Zuneigung zeigen, Interesse, Involviertheit –, macht man andere. Kristine Bilkau beleuchtet in ihrem neuen Roman „Halbinsel“ Freuden und Sorgen von Mutterschaft und eine neu erstrahlende Mutter-Tochter-Beziehung.
„Trotzdem, das Großziehen eines Kindes glich einem Bergaufstieg, mit aller Kraft hatte ich meine Tochter hochgehievt, um ihr Chancen zu geben, weiterzukommen als ich. Damit sie es leichter haben würde, bei allem, was ihr wichtig wäre. Und sie? Ließ sich einfach wieder herunterrutschen, hockte sich neben mich und sagte, zu anstrengend, und außerdem – nicht so wichtig.“
Die Ich-Erzählerin Annett, 49 Jahre, lebt seit vielen Jahren mittlerweile alleine in einem kleinen Haus auf einer Halbinsel am nordfriesischen Wattenmeer. Nachdem sie schon früh ihren Mann verloren hatte, zog sie die gemeinsame Tochter Linn alleine groß zu einer wissbegierigen, ehrgeizigen, energiegeladenen jungen Frau von nun Mitte zwanzig. Von diesem Bild ist allerdings, als Linn nach einem Kreislaufzusammenbruch wieder bei ihr einzieht, nichts mehr zu sehen. Sie ist müde und erschöpft, zweifelt an sich und ihren Umwelt- und Waldschutzaktivitäten.
„Ich hatte Linn die Zukunft als großes Versprechen verkauft. Das war es, was Eltern taten, um ihren Kindern Schwung zu geben. Ich hatte ihr die Welt angepriesen, mit allen Vorzügen und Möglichkeiten, aber dabei hatte ich die horrenden Mängel verharmlost oder ganz verschwiegen. Lauter Halbwahrheiten.“
Aus Muttersicht erleben wir Linns Resignation und Trägheit, die so gar nicht mit Annetts Erziehungswerten in Einklang stehen. Hat sie nicht alles dafür getan, dass sie eine bessere Zukunft mit Aufstiegschancen und finanzieller Sicherheit vor sich hat? Eine positive Zukunft, die sie gestalten und umändern kann? Aber Linn kann diesen gesellschaftlichen Optimismus nicht mehr teilen, ihr bemerkt mehr denn je die Schattenseiten, bedrohte Tierarten, Waldsterben, all die Konsequenzen der Klimaerwärmung, die die Menschen billigend in Kauf nehmen. Wie sieht die Zukunft aus, wenn die Menschen nur aus Profitdenken Wälder schützen und sie den Stimmen der Umweltschützenden überdrüssig sind? Gerade auch Annetts Wunsch einer besseren Zukunft ruft nicht zuletzt Erwartungen hervor. Linn spürt diesen Leistungsdruck und entzieht sich ihm. Die Zeit zu zweit gibt ihnen die Möglichkeit, sich aufeinander einzustellen, Vergangenes aufzuarbeiten und ein neues Zukunftsbild zu schaffen.
„Fünfundzwanzig würde sie diesen Winter werden, alle diese Jahre, diese gesamte Zeit schien mir so überschaubar, so verschwindend schnell vergangen, als stünde ich an einer Bahnschranke und ein Zug rast vorbei, da kommt er, da ist er, da fährt er, und dann höre ich nur noch sein Rauschen aus der Ferne wie ein Echo. Schwanger werden, ein Kind zur Welt bringen, den Partner verlieren, das Kind großziehen, es davongehen sehen, diese Jahre: hier, das sind sie gewesen, und hier, das sind die Fehler, die du gemacht hast.“
Fazit
Bilkau zeichnet ein authentisches Bild von Mutterschaft und -liebe, geprägt von Fürsorge und Sicherheit, Unverständnis und Vertrauen – und den Fehlern, die daraus entstehen können. Mit ihrer leichten und trotzdem gehaltvollen Sprache und mit wenigen Worten gelingt es ihr zudem, Gemütsstimmungen zu beschreiben: Annetts trostlosen Alltag, ihre Furcht vor dem Leben und Lethargie, die sie vor Linn versteckt, Linns Erschöpfung und Resignation. Aber auch Annetts und Linns Weg aus dieser Düsternis heraus, zu mehr Lebensfreude und Strahlen und einer erneuerten Mutter-Tochter-Beziehung – eine richtig tolle Entdeckungsreise.
„Trotzdem, das Großziehen eines Kindes glich einem Bergaufstieg, mit aller Kraft hatte ich meine Tochter hochgehievt, um ihr Chancen zu geben, weiterzukommen als ich. Damit sie es leichter haben würde, bei allem, was ihr wichtig wäre. Und sie? Ließ sich einfach wieder herunterrutschen, hockte sich neben mich und sagte, zu anstrengend, und außerdem – nicht so wichtig.“
Die Ich-Erzählerin Annett, 49 Jahre, lebt seit vielen Jahren mittlerweile alleine in einem kleinen Haus auf einer Halbinsel am nordfriesischen Wattenmeer. Nachdem sie schon früh ihren Mann verloren hatte, zog sie die gemeinsame Tochter Linn alleine groß zu einer wissbegierigen, ehrgeizigen, energiegeladenen jungen Frau von nun Mitte zwanzig. Von diesem Bild ist allerdings, als Linn nach einem Kreislaufzusammenbruch wieder bei ihr einzieht, nichts mehr zu sehen. Sie ist müde und erschöpft, zweifelt an sich und ihren Umwelt- und Waldschutzaktivitäten.
„Ich hatte Linn die Zukunft als großes Versprechen verkauft. Das war es, was Eltern taten, um ihren Kindern Schwung zu geben. Ich hatte ihr die Welt angepriesen, mit allen Vorzügen und Möglichkeiten, aber dabei hatte ich die horrenden Mängel verharmlost oder ganz verschwiegen. Lauter Halbwahrheiten.“
Aus Muttersicht erleben wir Linns Resignation und Trägheit, die so gar nicht mit Annetts Erziehungswerten in Einklang stehen. Hat sie nicht alles dafür getan, dass sie eine bessere Zukunft mit Aufstiegschancen und finanzieller Sicherheit vor sich hat? Eine positive Zukunft, die sie gestalten und umändern kann? Aber Linn kann diesen gesellschaftlichen Optimismus nicht mehr teilen, ihr bemerkt mehr denn je die Schattenseiten, bedrohte Tierarten, Waldsterben, all die Konsequenzen der Klimaerwärmung, die die Menschen billigend in Kauf nehmen. Wie sieht die Zukunft aus, wenn die Menschen nur aus Profitdenken Wälder schützen und sie den Stimmen der Umweltschützenden überdrüssig sind? Gerade auch Annetts Wunsch einer besseren Zukunft ruft nicht zuletzt Erwartungen hervor. Linn spürt diesen Leistungsdruck und entzieht sich ihm. Die Zeit zu zweit gibt ihnen die Möglichkeit, sich aufeinander einzustellen, Vergangenes aufzuarbeiten und ein neues Zukunftsbild zu schaffen.
„Fünfundzwanzig würde sie diesen Winter werden, alle diese Jahre, diese gesamte Zeit schien mir so überschaubar, so verschwindend schnell vergangen, als stünde ich an einer Bahnschranke und ein Zug rast vorbei, da kommt er, da ist er, da fährt er, und dann höre ich nur noch sein Rauschen aus der Ferne wie ein Echo. Schwanger werden, ein Kind zur Welt bringen, den Partner verlieren, das Kind großziehen, es davongehen sehen, diese Jahre: hier, das sind sie gewesen, und hier, das sind die Fehler, die du gemacht hast.“
Fazit
Bilkau zeichnet ein authentisches Bild von Mutterschaft und -liebe, geprägt von Fürsorge und Sicherheit, Unverständnis und Vertrauen – und den Fehlern, die daraus entstehen können. Mit ihrer leichten und trotzdem gehaltvollen Sprache und mit wenigen Worten gelingt es ihr zudem, Gemütsstimmungen zu beschreiben: Annetts trostlosen Alltag, ihre Furcht vor dem Leben und Lethargie, die sie vor Linn versteckt, Linns Erschöpfung und Resignation. Aber auch Annetts und Linns Weg aus dieser Düsternis heraus, zu mehr Lebensfreude und Strahlen und einer erneuerten Mutter-Tochter-Beziehung – eine richtig tolle Entdeckungsreise.