Üppige Familiengeschichte, aber unnötig viel Drama

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lesestress Avatar

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»Wenn eines seiner Mädchen, Rose eingeschlossen, ins Zimmer gekommen war, hatte er sie auf die gleiche Weise mit einem ✨Hallo, du Schöne!✨ begrüßt. Es war ein schöner Gruß, der sie mit dem Wunsch erfüllte, wieder zu gehen und noch einmal hereinzukommen.«

Gemeinschaft und Zugehörigkeit kennt William Waters nur vom Basketballplatz. Dass er ein Sport-Stipendium für die Northwestern University in Chicago bekommt, ist also eine willkommene Gelegenheit für ihn, seine Eltern und seine unglückliche Kindheit in Massachusetts hinter sich zu lassen. Als er am College dann die temperamentvolle Julia Padavano kennenlernt – und die beiden sich verlieben – ändert sich sein Leben erneut. Denn es gibt sie nur im Paket mit ihren drei Schwestern Sylvie, Cecelia und Emeline sowie zusammen mit ihren Eltern. William wird ein Teil des so herrlichen wie anstrengenden Chaos aus Liebe und Fürsorge. Doch sein Glück ist nur von kurzer Dauer, denn die Geister der Vergangenheit holen ihn ein …

In »Hallo, du Schöne« erzählt Ann Napolitano multiperspektivisch eine dramatische Familiengeschichte, die an den Klassiker »Little Women« von Louisa May Alcott erinnert, und sich über die Jahre 1978 bis 2008 erstreckt. Eine große Zeitspanne, die sie mit Themen um Familie(nplanung) und Selbstverwirklichung, Ehrgeiz und Erwartungen sowie psychische und körperliche Gesundheit füllt. Der Fokus liegt klar auf den Padavano-Frauen, die Napolitano sehr fein zeichnet: ihre Verbundenheit und die ausgeprägten Persönlichkeiten sowie all ihre Gemeinsamkeiten und Unterschiede treiben die Handlung (langsam) voran. Lesende können ihre Geschichte genauestens erforschen, all ihren Gedanken auf den Grund gehen und sie an ihren Aufgaben wachsen sehen. Dieses scheinbar minutiöse Erzählen ist hier gleichermaßen Segen und Fluch. Denn obwohl ich genau verstehe was passiert, was Napolitano plottet, wo sie hin will, hat es nach meinem Empfinden sehr lange gedauert, bis die Story endlich das erforderliche Tempo aufnehmen konnte, um mich nachhaltig zu begeistern. Viele Gespräche wie auch Gedanken sind repetitiv, drehen ständige Schleifen, und mehr als einmal wollte ich die Figuren für ihre Passivität schütteln, denn sie alle tragen schwerer an ihren Päckchen, als sie müssten – unterstreichen damit aber ungeahnt die Bedeutung von Kommunikation, Bewusstsein und Empathie. Erst im letzten Drittel des Buches überholt sich meine Kritik! Denn mit einem Mal laufen die Fäden zusammen, verwebt sich die Geschichte dichter und endet wirklich eindrucksvoll!

»Hallo, du Schöne«, das die Padavano-Schwestern und William über Jahrzehnte hinweg begleitet, ist also in Teilen langatmig, aber seine Erzählung wechselt auch so mühelos zwischen den verschiedenen Perspektiven, dass es ihn zu einer leichten Lektüre macht. Bei allen Startschwierigkeiten empfehle ich das Buch schlussendlich doch gern allen, die üppige Familiengeschichten lieben!

Aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence.