Faszinierender Genre-Mix aus Fantasy, Steampunk, Horror, Krimi, Ökologie und Kapitalismuskritik

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elke17 Avatar

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Wir sind an Bord der Transsibirischen Eisenbahn und begleiten im Jahr 1899 eine Zugbesatzung und ihre Passagiere auf dem Weg von Peking nach Moskau. Die Fahrt führt durch das Ödland, eine unwirtliche, menschenleere Steppe, in der man beim verbotenen Blick aus den Fenstern seltsame Vorkommnisse beobachten kann. Das Außen verändert sich, wirkt bedrohlich, fast scheint es, als wäre es lebendig, würde ein Eigenleben führen, hätte einen Plan.

Einen Plan hat auch Maria Petrowna, die unter falschem Namen reist und vorgibt, eine trauernde Witwe zu sein. In Wirklichkeit ist sie aber die Tochter des Glasmachers, in dessen Verantwortung es lag, die Fenster des Zuges herzustellen. Er sollte die Innen- von der Außenwelt abschotten, was offenbar aber nicht gelang, denn auf der seiner letzten Fahrt mit dem Zug brachen die Fenster. Wie sich später herausstellen wird, wurde damit der Weg frei für eine unkontrollierbare Materie gemacht, die sich ihren Weg ins Zuginnere bahnte. Mittlerweile ist er tot, angeblich an einem Herzinfarkt gestorben. Seine Tochter bezweifelt es, will herausfinden, was wirklich auf dieser letzten Fahrt ihres Vaters geschehen ist. Aber sie ist nicht die Einzige, die auf dieser Reise nach Gewissheit sucht, denn mit zunehmender Fahrt mehren sich die ungewöhnlichen Ereignisse.

Die Autorin baut die Handlung behutsam auf, ganz gleich, ob es um die Beschreibung der an den Zugfenstern vorbeiziehenden Landschaft oder die Charakterisierung der Personen geht. Das gelingt ihr zumindest in der ersten Hälfte auch wirklich gut. Sie schafft eine Atmosphäre, die gleichermaßen bedrohlich, aber auch faszinierend wirkt und damit den Leser bei der Stange hält. In der zweiten Hälfte sind leider einige Längen zu überwinden, ehe die Spannung zum Ende hin ihren Höhepunkt erreicht.

Sarah Brooks Roman, 2019 ausgezeichnet mit dem Lucy Cavendish Prize und 2021 mit einem Northern Debut Award von New Writing North, lässt sich nicht eindeutig in eine Genre-Schublade stecken. Es überwiegen die Fantasy-Elemente, die schon durch die Wahl des Transportmittels von den Besonderheiten des Steampunk beeinflusst sind. Dazu wohldosiert eine Prise Horror, Spannung, Ökologie und Kapitalismuskritik. Ohne Zweifel eine höchst interessante Mischung und eine unerwartet etwas andere Lektüre, die mich gut unterhalten hat. Lesen!