Die Welt dreht sich weiter, auch wenn du reglos bist!

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laberlili Avatar

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Auf den Briefroman "Hannes", der aus vom jungen Uli an seinen nach einem Motorradunfall komatösen besten Freund Hannes geschriebenen Briefe besteht, die weithin eher an Tagebucheinträge erinnern, muss man sich zweifelsohne einlassen, um ihn in seiner Gänze zu verstehen und nachvollziehen zu können. Denn Uli ist zwar offenbar ein sehr genauer Beobachter, beschreibt aber recht wertungsfrei, wie Hannes' persönliches Umfeld sich seit dem Unfall weiterentwickelt (hat): Zwar spricht er auch des Öfteren seine eigenen Gefühle an, aber zwischen den Zeilen lässt sich hier doch auch sehr viel darüber hinauslesen, wie die anderen Figuren mit der belastenden Situation umgehen und wie sehr sie teilweise ge- und auch überfordert sind.

Dabei ist "Hannes", abseits der Frage, ob der Titel-Namensgeber überleben oder sterben wird, eigentlich gar nicht spannend: Geschildert wird ein durchschnittliches soziales Umfeld, der ganz gewöhnliche Alltag.
Mit Rita Falks bekannten Provinzkrimis ist "Hannes" da absolut nicht zu vergleichen, ist es doch auch deutlich als Drama ausgelegt. Die Thematik ist sehr intensiv und könnte literarisch sicherlich noch besser aufgearbeitet sein, noch mehr Anspruch und Tiefe besitzen, aber so ist es ein für alle leicht verständlicher Roman. Gabriel Garcia-Marquez in der Light-Variante sozusagen.

Anfangs fand ich "Hannes" sehr berührend, fürchtete eine allzu tiefe Emotionalität, aber je weiter die Geschichte voranschreitet, sich vom Tag des Unfalls entfernt, desto gelöster wurde auch der Schreiber Uli, mit dem ich mich anfangs schnell identifizieren konnte, so dass auch ich mich während des Lesens immer leichter fühlte; da wird hier sehr schön vermittelt, wie Uli quasi vom Krankenbett des Freundes auch wieder bewusst in sein eigenes Dasein zurückfindet - aber auch das wird sehr subtil mitgeteilt.

Wenn man aber bereit ist, zwischen den Zeilen zu lesen und sich von Uli einsaugen zu lassen, ist "Hannes" durchaus eine wunderschöne, leise, melodramatische Hommage an das Leben, wie es eben ist. Liest man "Hannes" allerdings "nur so nebenbei" und auch eher oberflächlich, so wird man sich wohl doch eher langweilen, weswegen ich den Roman wenn dann nur den ernsteren Lesern ans Herz legen wollen würde, die auch nach dem Zuklappen eines Buches gerne noch ein wenig grüblerisch in der Handlung festhängen.