Unglaublich berührend

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metalpanda Avatar

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Rita Falk konnte ich mir bislang nur im Duo mit dem Protagonisten ihrer bisherigen Bücher, dem (unfreiwillig) lustigen Dorfpolizisten Franz Eberhofer, vorstellen.
Kann jemand, der witzige Geschichten aus der niederbayerischen Provinz in Umgangssprache niederschreibt, auch seriöse Bücher schreiben? Gar Werke, die berühren? Rita Falk hat mit ihrem Roman „Hannes“ bewiesen: sie kann es.

Der Roman ist ein Brief. Ein Brief von einem jungen Erwachsenen an seinen Freund. Ein Brief, in dem er sein Leben erzählt, all die Kleinigkeiten, die tagtäglich passieren. Ein Brief, den der Empfänger nicht lesen kann.
Uli schreibt diese Zeilen für seinen besten Freund Hannes, der im Koma liegt. Nach einem Motorradunfall, mit Anfang zwanzig, wo das richtige Leben ja eigentlich gerade erst beginnt. Uli, seit seiner Kindheit unzertrennlich mit Hannes, schreibt ihm einen Brief, führt eine Art Tagebuch, damit sein Freund, wenn er wieder aufwacht (woran Uli fest glaubt - irgendwann als Einziger, denn die anderen Freunde, die Freundin, gar die Familie vom Hannes resignieren irgendwann und glauben nicht mehr an ein Wunder), nichts verpasst, was in der Zwischenzeit passiert ist.
Hauptsächlich geht es um drei große Themen in diesem Brief: der Alltag von Uli, der gerade frisch seinen Zivildienst in einer Betreuungsanstalt für geistig kranke Menschen angetreten hat; seine Besuche beim im Koma liegenden Hannes, stets von der Hoffnung begleitet, er würde mal reagieren; sowie die Schilderungen, wie Hannes' Umfeld – seine Eltern, seine Freundin, Uli selbst, Ulis Eltern, gemeinsame Freunde und Bekannte – mit der schwierigen Situation umgeht. Wie verhalten sich die Menschen, wenn ein Mensch zwar nicht gestorben ist, aber dennoch nur körperlich in dieser Welt verweilt, ohne Aussicht auf eine Besserung.
„Hannes“ berührt von der ersten bis zur letzten Seite. Das Buch hat zwar "nur" 200 Seiten, und doch erzählt es ein ganzes Leben - vor und nach dem Unfall.
Allen Charakteren wird eine gewisse "Opferrolle" zugewiesen. Hannes als Unfallopfer; die leidenden Verwandten und Freunde als Opfer dieses Zustands; die Bewohner der Anstalt, wo Uli seinen Zivildienst leistet, wo jeder eine traurige Vergangenheit hinter sich hat... Dieser Handlungsstrang um die "Insassen des Vogelnests", wie der Uli sie liebevoll nennt, ist nicht weniger berührend, als die Geschichte um seinen komatösen besten Freund. Die Autorin hat es geschafft, tief in die Seele eines auf den ersten Blick sorglosen jungen Menschen (Uli), der noch vor kurzem tagaus tagein nur damit beschäftigt war, mit seinen Freunden abzuhängen und Mädels aufzureißen, zu blicken und seine wahren Gefühle zu zeigen, wie man sie von einem jungen Burschen Anfang 20 nicht unbedingt erwartet.

Eigentlich mag ich keine dramatischen Bücher, die zu sehr berühren. Ich muss dann immer weinen. Natürlich habe ich bei den letzten Seiten von "Hannes" geheult. Es ist keine einfache, lustige Lektüre (auch wenn man Rita Falks trockenen Humor, den man sonst aus dem "Munde" vom Dorfgendarm Franz Eberhofer, durchaus auch an einigen Stellen in "Hannes" erkennt), sondern ein trauriges, berührendes und nachdenklich machendes Werk.
Sehr empfehlenswert!