Flott geschriebene, atmosphärische New Yorker Gaunergeschichte

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takabayashi Avatar

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Obwohl ich New York nur aus Filmen und Büchern kenne, hatte ich das Gefühl, dass der Autor die Armosphäre im Harlem der Sechziger Jahre sehr authentisch und treffend geschildert hat, sehr lebendig, man hat das Gefühl man sei mittendrin.
Der Protagonist ist der umtriebige Familienvater Ray Carney, ein Möbelhändler, der versucht, seinen Lebensuntehalt auf möglichst ehrliche Weise zu verdienen, aber zwischendurch durchaus auch mal Hehlerware verhökert - schließlich hat er eine Familie zu ernähren. Sein Vater war ein Krimineller, dem er möglichst nicht nacheifern möchte, und auch sein Cousin Freddy ist ein Ganove, der noch nie in seinem Leben gearbeitet hat und Ray, der ihn wie einen Bruder liebt, immer wieder in brenzlige Situationen hineinmanövriert. Whitehead schildert drei Phasen in Rays Leben, 1958, 1961 und 1964. Er hat einen mitreißend lässigen und humorvollen Schreibstil, es gibt atmosphärische Ortsbeschreibungen und viele Nebenfiguren, die meisten davon recht skurrile Charaktere, so dass man sich gut in die damaligen Lebensumstände hineinversetzen kann.
Der Autor schreibt nicht mit erhobenem Zeigefinger, aber natürlich ist der Roman auch sozialkritisch, beschreibt erschreckende Rassendiskriminierung, z.B. dadurch, dass Rays Ehefrau im Reisebüro "Black Star Travel" arbeitet, das seinen schwarzen Kunden "sichere" Reiserouten ausarbeitet mit Empfehlungen für Hotels und Restaurants, in denen sie nicht diskriminiert, angepöbelt oder gar zusammengeschlagen werden. Und man erkennt auch, dass es seit damals leider nur kleine Fortschritte gegeben hat.
Ich weiß gar nicht so recht, welchem Genre man diese Buch zuordnen könnte, vielleicht ist es ein Entwicklungsroman, denn Ray macht in den drei Abschnitten eine ziemliche Entwicklung durch.Es ist aber auch eine Liebeserklärung an Harlem und seine Bewohner. Die Lektüre war manchmal ein wenig anstrengend, hat sich aber gelohnt und ich bin froh, diesen Autor kennengelernt zu haben und werde auch seine früheren Werke lesen. Empfehlenswert für Freunde etwas anspruchsvollerer Literatur.