Gut sein oder nicht sein?

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westeraccum Avatar

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Nachdem ich von Whiteheads Roman "Die Nickelboys" sehr begeistert war, wollte ich natürlich auch sein neues Werk unbedingt lesen.
Schon der Umschlag des Buches führt die Leser direkt hinein in das Harlem der 1960er Jahre. Brownstone-Häuser, Polizisten, die eine Straßenkreuzung beobachten, fette Straßenkreuzer, wenige Menschen und das alles in einem Blickwinkel von schräg oben, als unbeteiligter Zuschauer. Genau das ist auch der Punkt, aus dem Whitehead seine Protagonisten beobachtet: mit Distanz, sachlich, und lakonisch.
Die Hauptperson des Buches ist Ray Carney, der einen kleinen Möbelladen besitzt und mit gebrauchtem Zeug handelt, das ihm auch manchmal sein Cousin Freddie beschafft. Angeblich ist es "vom Lastwagen gefallen". Ray bemüht sich um ein ehrliches Leben, will seiner Frau den der kleinen Tochter etwas bieten und spart auf eine schönere Wohnung abseits der Hochbahngleise. Die Eltern seiner Frau üben großen Druck auf ihn aus, er ist ihnen zu schwarz und zu arm. Seine Bemühungen scheitern immer wieder. Als Freddie ihn in einen gefährlichen Raub in einem Hotel hineinzieht, wird es noch gefährlicher.
Ray ist ein Mensch zwischen allen Stühlen. Auf der einen Seite ist er der ehrlich bemühte Möbelhändler, muss aber Schutzgeld zahlen, um überleben zu können und ab und zu eine kleine oder größere Straftat begehen, um im Leben voran zu kommen. Eine andere Chance bekommt er nicht und so führt er zwei Leben, eins am Tag und ein geheimes in der Nacht.
Das alles spielt vor dem Hintergrund der Rassentrennung am Ende der 1950er Jahre und der Hoffnung auf Besserung unter Kennedy. Der politische Aspekt ist im Hintergrund immer präsent und hat Auswirkungen auf das Leben der Menschen in Harlem. Man schlägt sich durch, auch manchmal illegal, aber das alles ist nichts gegen das, was die reichen weißen Menschen an illegalen Praktiken anwenden. Zwischen diesen Fronten stehen auch Ray und seine Familie.
Whitehead schreibt klug und sachlich, bringt immer wieder Rückblicke auf die Geschichte der handelnden Personen und hat die politische Situation immer im Blick. Er vermeidet Schwarz-weiß-Malerei, alle Personen sind vielschichtig beschrieben und ihre Motive nachvollziehbar. Seine klare Sprache hat eine Melodie, die immer unterschwellig mitschwingt.
Das Buch erfordert Aufmerksamkeit, man kann es nicht nebenbei lesen.
Obwohl mich das Buch nicht so begeistert hat wie "Die Nickelboys" ist es doch ein unbedingt lesenswertes Buch.