Under pressure

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Leerer Stern
emmmbeee Avatar

Von

Der Druck durch Schwiegereltern kann groß sein, denn man will durch ihre Enttäuschung nicht an Wert verlieren in den Augen der eigenen Frau. Ray Carney ergeht es ebenso, ohne zwielichtige Geschäfte kann er seiner Angetrauten nicht den Standard bieten, den sie gewohnt ist. Als Sohn eines schwarzen Ganoven trägt er ohnehin schwer an seiner Herkunft. Trotz aller Bemühungen, seriös zu bleiben, kommt es zu Schwierigkeiten mit Gangstern und Polizei, und sein Doppelleben droht aufzufliegen. Und wenn da nur nicht Freddie wäre, der ihn in einen kriminellen Coup gezogen hat!
Man kann sich einfühlen in Rays Innenleben, möchte ihm helfen, ihn in seinen Bemühungen unterstützen. Er scheint ständig zu scheitern, und wenn er sich auch noch so anstrengt. Endlich gleichwertig zu sein mit seinen Elite-Schwiegereltern, das ist sein Traum.
New Yorks Stadtteil Harlem in den Sechzigerjahren besitzt einen romantischen Bonus, obwohl es darin genauso hart zugeht wie in der übrigen Stadt. Der tägliche Einsatz dafür, dass die Familie es besser haben soll als der Protagonist in seiner eigenen Jugend, ist für Ray zermürbend. Zum Kampf mit der Exekutive kommen noch Korruption, Drogen und mafiöse Gruppen. Das macht es für ehrliche Leute fast unmöglich, zu überleben, ohne kriminell zu werden.
Ich war noch niemals in New York, kann mir aber gut vorstellen, dass sich das Leben dort genauso abspielt, wie Colson Whitehead es beschreibt. Der Autor baut Bezüge zum aktuell stattfindenden Rassismus ein, und nebenbei erfährt man noch dies und das über Möbel. Harlem Shuffle ist ein Stück Zeitgeschichte und ein Spiegel der Sechzigerjahre-Gesellschaft.
Die Handlung spielt auf drei Zeitebenen. Weil dabei jeweils die Vorgeschichte einer anderen Figur beleuchtet wird, gewinnt der Leser einen tiefen Einblick in die Zusammenhänge. Ein wenig verwirrend sind für mich die vielen ineinandergreifenden Nebenfiguren, dieses Geflecht erhellte sich erst allmählich.
Mir hat schon vorher Whiteheads Schreib- und Erzählstil gefallen. Auch im vorliegenden Roman schildert er wieder sehr lebensnah und mit viel Lokalkolorit die Geschehnisse. Das Buch bleibt farbig, pulsierend und spannend bis zum Schluss. Ich habe es in zwei Tagen ausgelesen.