Man schreibt mit dem Körper

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gerwine ogbuagu Avatar

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„Man schreibt mit dem Körper“

…so hatte es Hatokos Großmutter ihr beigebracht. Sie hört die Stimme der Verstorbenen in kritischen Augenblicken, wenn es ihr nicht gleich gelingen will, in den Schreibfluss zu kommen.
Wir halten ein hellblaues Buch in den Händen, versehen mit einem gelben Lesebändchen. Der Einband zeigt eine Zeichnung der Vorderansicht des Schreibwarenladens. Die Erzählung fließt dahin, weich und angenehm und wir können uns wunderbar in die Geschichte einfühlen.
Wir erfahren, dass die Erzählerin aus einer langen Familie von Schreibern stammt und lesen über ihre Großmutter, dass diese berufstätig war und die Erzählerin aufgezogen hat. Hatoko hat nun den wunderbaren Schreibwarenladen ihrer Großmutter übernommen. Sie ist selbst eine unübertreffliche Schreibkünstlerin. Sie erlernte die verschiedenen Schriftzeichen bereits im Alter von drei Jahren.
In der Einführung lesen wir, wie unsere Erzählerin ihren Morgen beginnt und Grüße mit den Nachbarinnen austauscht. Dann fegt und wischt sie Böden, danach trinkt sie Tee. Sie erwähnt das feuchte Klima in Kamakura. Sie spricht über ihre Familie Amemiya und dass alle Frauen öffentliche Schreiberinnen waren und Kalligraphie beherrschten. Inzwischen bezeichnet sie sich selbst als eine Schreibdienerin. Diese übt den Beruf einer öffentlichen Schreiberin aus. Es ist eine moderne Geschichte und sie erklärt, dass auch im Zeitalter von Emails handgeschriebene Briefe für viele Gelegenheiten hoch willkommen und überaus begehrt sind.
Nicht nur lernen wir sehr viel über Schreibgeräte, altes und modernes Papier, unzählige verschiedene Tinten, unterschiedliche Tuschsorten und dass auch Dämonen in Briefen lauern können, die nachts geschrieben werden. Sondern zum Beispiel auch, dass für Kondolenzbriefe blasse Tusche verwendet wird, so, als ob Tränen die Tusche heller gemacht hätte. Und so vieles andere, das ich hier nicht alles erwähnen kann.
Hatoko lässt uns daran Teil haben, wie sie aufgewachsen ist und wir erleben ihren Werdegang schreiben zu lernen, welches Papier in welchen Farben verwendet wird und die passenden Umschläge dazu. Es gibt weibliche und männliche Schriften und Alphabete. Hatoko lehrt uns, dass ein Brief eine Art Verkörperung des Verfassers darstellt. Sie beschreibt wie sich ein Federhalter aus Glas verhält: „Überraschend sanft fuhr die Feder über das gerippte Papier, Sie blieb nicht etwa hängen an seinen Erhebungen, sondern glitt leicht darüber, wie ein Schlittschuhläufer auf dem Eis, das in der Morgensonne glitzerte.“
Die Beschreibungen der vielen unterschiedlichen Kunden und Kundinnen und warum sie zu einer Schreiberin kommen sind nicht nur unterhaltsam, sondern lehrreich und lebendig. Diese Geschichte ist nicht nur für alle, die Schreiben und Papier lieben, sondern für jeden Japanliebhaber. Wir erhalten Einblicke in das Miteinander einer Nachbarschaft und Klientel des Schreibwarenladens in der Stadt Kamakura. Eine handgemalte Stadtkarte ziert das Buch auf der ersten Seite. Damit können wir die beschriebenen Wege und Orte aufsuchen. Es ist so ein wunderbares und vergnügliches Buch das man nur ungern beendet.