Beeindruckend

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Plan war ein Buch über Igor Levit zu schrieben, Florian Zinnecker wollte ihn ein Jahr begleiten. Zu Konzerten, Tourneen. Diese Absprache wurde Ende 2019 getroffen, als noch niemand ahnen konnte, wie sich die Welt im Folgejahr verändern würde.
Statt Igor auf Tourneen in der ganzen Welt zu begleiten gab es plötzlich Lockdown und alle großen Veranstaltungen wurden verschoben oder ganz abgesagt.
Somit änderte sich der Alltag, wie bei uns allen, auch für Levit sehr. Sein gesamter Lebenssinn wurde ihm als Pianist genommen. Was ist ein Pianist ohne Publikum?
Sehr kurzweilig beschreibt der Autor Zinnecker wie es zu den berühmten Hauskonzerten kam.
Levit öffnet sich ihm im Laufe des Jahres immer mehr. Erzählt von seiner Art sich einem neuen Stück anzunähern, von seiner Lieblingsmusik und seinem Werdegang.
Einen großen Raum nimmt natürlich auch die politische Haltung Levits ein. Schließlich hält er damit auch in sozialen Medien, insbesondere Twitter, nicht hinter dem Berg.
Dabei sind diese Äußerungen ganz normal, nicht extrem, entsprechen auch meinem Menschenverstand. Doch ein Pianist, der sich politisch äußert? Das findet der sehr konservative Klassikbetrieb nicht witzig. Er muss da einiges einstecken, doch Levit bleibt sich selbst treu. Zum Glück. So öffnet er vielleicht auch diese wunderbare Musik einem neuen Publikum.
Levit ist Jude und bekommt auch dies immer wieder zu spüren. Ich habe in letzter Zeit häufig gelesen, dass der Antisemitismus in Deutschland wieder zunimmt, verstehen kann ich das erst nach der Lektüre dieses Buches.
Vorbehalte, scheinbar zufällige Spitzen bis hin zu offenen Morddrohungen mit genauen Angaben zum Datum.
Entsetzlich! Jetzt verstehe ich, warum vor der Kölner Synagoge immer ein Polizeiwagen stehen muss.
Auch Igors Mutter kommt zu Wort, erzählt von seiner Kindheit, wie es anfing mit dem Klavier, wie er nicht zu stoppen war.
Levit ist vielleicht für einige das Enfant Terrible des Klassikbetriebes, doch das macht ihn einfach nur menschlich. Vor allem, wenn man sein göttliches Klavierspiel schon mal live erleben durfte. Ich hoffe, dass es bald wieder möglich sein wird.
Die beste Szene war für mich die Beschreibung seines Klaviermarathons. Dabei spielte er die Vexations von Satie, was über 20 Stunden dauerte. Unglaublich! Warum habe ich davon letztes Jahr nichts mitbekommen? Er nennt es seinen "künstlerischen Hungerstreik".