Dieses Buch ist kein Witz

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katzenhai Avatar

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Es ist wie erwartet: anders. Unkonventionell. Frech. Schnell. Moderne, kurze Absätze.

Aber mit erstaunlichem Tiefgang. Es reflektiert die Größe dessen, was unausgesprochen neben und hinter den Zeilen bleibt. Und das Lust macht. Auf mehr. Auf viel mehr.

Das Buch ist ein Pageturner - wie man in einem guten Musikstück keine Pausen wünscht, so auch in diesem Buch - obwohl es eine Menge Zäsuren, Einschübe, zeitsprünge und Themenwechsel aufweist. Wenn man sucht, wird man vermutlich einen Sonatenaufbau mit passenden Tempi, Tonartwechseln und Harmoniefolgen nachweisen können, wie es sie in den Werken gibt, die Igor meisterlich vorträgt.

Eine Künstlerbiografie erzählt chronologisch den Werdegang, die Einflüsse, vielleicht Brüche - und kommt gegen Ende bei der Gegenwart an. Dieses Buch beginnt vor gut einem Jahr und erzählt, was Corona und Hauskonzerte mit dem Pianisten und Menschen gemacht haben. Immerhin hat er spätestens in diesem Jahr - auch vom Zeit-Journalisten Zinnecker als Chronisten nicht erwartet - einen immensen Bekanntheitssprung erfahren und ist nicht nur der anerkannteste Pianist unserer Tage, sondern aktuell auch der prominenteste.

Die Unterscheidung von E- zur U-Musik vollzieht sich ja nicht nur in den Werken und den Vortragenden - sie zeigt sich im Publikum und dessen Ansprüchen und Vorstellungen. Levit erlaubt diese Trennung durch seine allumarmende Art nicht: jeder, der gerne Musik hört, ist ihm willkommen, und die, die noch nicht wissen, dass sie es tun. Er differenziert Menschen nach ihrer Menschlichkeit, nicht nach dem Preis der Eintrittskarten, die sie:er sich leisten kann.

Und diese Haltung spürt man in seiner Musik, und das Buch erklärt eindringlich und in klarer Sprache, vorher sie stammt. Nichts von dem, was Levit erlebt hat, ist hierfür unwichtig - und nur die gesamte Komposition des Pianisten Levit wird ihm gerecht.

Und deshalb ist es wichtig, das ganze Buch zu lesen - nciht nur wegen der Zeitsprünge, und auch nicht, weil einige der prägendsten Ereignisse erst am Ende des Werks angespielt werden.

Wenn man einen Witz erzählt, ist es wichtig, dass man beim ersten Satz schon den letzten kennt. Dieses Buch ist kein Witz.