Faszinierendes, berührendes Porträt - einmal anders! Super!

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
naibenak Avatar

Von

Dass ich mal eine Biografie von vorn bis hinten durchlese, ist ein gutes Zeichen ;-) Oftmals bleibe ich irgendwo in der Mitte hängen und habe dann doch keine rechte Lust mehr… Aber hier ist es anders. Vielleicht liegt es an der besonderen Form: Florian Zinnecker hat Igor Levit mehrere Monate begleitet. Er hat über ihn geschrieben und ihn auch oft selbst reden lassen (Igor redet gern und viel). Dadurch gibt es in diesem Buch zwei Erzählperspektiven. Das macht es frisch und abwechslungsreich. Hinzu kommt, dass die Entstehung dieses Porträts mitten in die Corona-Pandemie-Zeit hineingeschlittert ist. Das Gefühl der plötzlichen Ohnmacht und Unsicherheit, das sich in der Bevölkerung breit gemacht hat, kam auch hier direkt und knallhart aufs Tapet.

Aber mal von vorn:

Igor Levit ist Sohn einer Musikerin und geboren in Russland. 1995 -acht Jahre nach seiner Geburt-siedelt die Familie nach Hannover über. Bereits damals ist Igor ein kleines Musikgenie und soll in Hannover bestmögliche Chancen für seinen weiteren Weg bekommen. Diese nutzt er in vollem Umfang und entwickelt sich unter der Anleitung seiner Mutter sowie verschiedener namhafter Lehrer zu einem der besten Pianisten weltweit. Aber der Erfolg bleibt ein bisschen auf der Strecke. Nicht zuletzt, weil Igor Levit auch aneckt. Er ist ein Mensch, der aus den konservativen Klassik-/Vermarktungsschiene ausbrechen will und muss. Er ist ein Mensch, der offen Position zu (politischen) Themen bezieht, die ihm auf der Seele brennen, gern auch mal vor Konzerten mit einigen Worten an sein Publikum. Dies bringt ihm allerdings auch Kritik bis hin zu Morddrohungen ein.

Igor Levit ist sehr emotional, ehrgeizig, rastlos und lebt förmlich in seiner Klaviermusik. Umso dramatischer ist es, als ihm diese – seine – Arbeit wegen Corona von heute auf morgen unter den Füßen weggezogen wird. Seine Welt bricht zusammen. Er braucht Zuhörer für seine Musik und sucht sich ein anderes Publikum - er streamt spontan ab sofort Hauskonzerte aus seinem Wohnzimmer über Twitter…

Mir hat der respektvolle, warmherzige Ton in diesem Porträt gefallen – ich bin oftmals sehr gefangen gewesen in den Beschreibungen über die Art und Weise, wie Levit musiziert. Auch hat mich der musikalische Werdegang fasziniert, die verschiedenen Lehrer mit ihren Tücken (Neid und Missgunst inklusive innerhalb der Lehrerschaft) – vieles erinnert mich an meine Jugend, in der auch ich eine klassische Klavierausbildung absolviert habe.

Mit all diesem Hintergrundwissen zur Person Igor Levit habe ich nun große Lust ihn bald einmal (wieder) live zu erleben. Ich werde ihm mit anderen Ohren lauschen – so viel ist gewiss.

Danke an Florian Zinnecker für dieses „andere“ Porträt eines Ausnahmekünstlers. Es hat großen Spaß gemacht, fasziniert, auch aufgerüttelt und oftmals sehr berührt!