Igor Levit ganz nah

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Er ist ein Ausnahmetalent, er wurde mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet und er ist politisch engagiert. Ein Pianist, der zweifellos aus dem Rahmen fällt. „Ich will immer mehr! Mehr leben, sehen, erleben, tun, lernen.“ Das sagt Igor Levit in dem Buch „Hauskonzert“, das gerade bei Hanser erschienen ist. Und so vielfältig zeigt er sich auch auf den 300 Seiten, die Florian Zinnecker mit ihm zusammen geschrieben hat.
Vom Dezember 2019 an begleitet F. Zinnecker den Pianisten ein knappes Jahr lang. Geplant war ein Jahr mit vielen Konzerten und dem normalen Alltagswahnsinn eines erfolgreichen Pianisten, doch es wurde ein besonderes Jahr mit Rückzug und Stillstand durch die coronabedingten Einschränkungen. Um so interessanter die Einblicke in das Innenleben Levits.
Das Buch zeigt Igor Levit von unterschiedlichen Seiten: den sensiblen, verletzlichen Menschen, der unter unverschämten, ungerechtfertigten, unfairen Kritiken leidet und der von Selbstzweifeln gequält wird, den besessenen Künstler, der ein riesengroßes Repertoire hat und in der Lage ist, sich in sehr kurzer Zeit neue Stücke zu erarbeiten, den politisch engagierten Mann, der sich gegen Antisemitismus, gegen rechtes Gedankengut und gegen gesellschaftliche Schieflagen wehrt.
Rückblenden machen wesentliche Schritte hin zu seinem jetzigen Erfolg deutlich. Ein Weg, der in der Kindheit in Russland beginnt, über eine holprige Schullaufbahn in Deutschland, dann über Wettbewerbe und sein Studium bei unterschiedlichen Lehrern und Professoren läuft und schließlich in eine Karriere mündet, die erst langsam, dann immer schneller an Fahrt aufnimmt, um dann durch die Pandemie jäh gestoppt zu werden. Als Leser*in erscheint einem Igor Levit oft als Getriebener, der Mühe hat, seine vielen Facetten unter einen Hut zu bringen und seine Energien zu kanalisieren. Jemand, der unbedingt auf das Echo eines Gegenübers angewiesen ist, gerade auch in seinen Konzerten.
Insbesondere wird deutlich, dass er für den herkömmlichen Konzertbetrieb eine Herausforderung ist. „Aus seiner Sicht ist Kunst, ist Musik ohne Positionierung nicht denkbar(…).“ Dadurch eckt er an und wird manches Mal zur Zielscheibe, zumal er seine Gedanken auf Twitter verbreitet und keinen Hehl daraus macht.
Das Buch bringt einem Igor Levit sehr nah, den Menschen, den Pianisten und den politischen Akteur. Viele interessante Einblicke sind möglich.