Losgehen, ankommen... weitergehen.

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kaiserin2201 Avatar

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Ein wunderbares Buch, das ganz anders ist als ich es erwartet hatte.

Ich hatte von Igor Levit en passant mal gehört, ihn aber nicht wirklich wahr genommen. Um so größer die angenehme Überraschung die mir das gemeinsame Buch von ihm und Florian Zinnegger bereitete.
Im Stil ganz anders als bekannte Biografien mit nummerierten Kapiteln, werden hier längere Episoden, Rückblenden als auch Gedankenfetzen durch Absätze und Hashtags unterteilt. Das gibt eine gewisse Geschwindigkeit und der Leser eilt mit. Igor Levit ist ein Mensch der oft gleichzeitig auf mehreren Kanälen, sprich Gedankengängen und Aktivitäten, läuft. Ist er angekommen
läuft er gleich weiter zu neuen Projekten und Herausforderungen. Als Kind schon früh am Klavier der Mutter, sie selbst ist Musikerin und Lehrerin, erkennt sie sein Talent. Sie fördert es nach ihren Möglichkeiten, gibt ihn jedoch schon bald zu anderen Lehrern, damit er viele Facetten für sein Spiel bekommen kann. Sprich, er lernt erst in Russland, später nach der Auswanderung nach Deutschland, in Hannover an der dortigen Musikhochschule bei den unterschiedlichsten Lehrern. Das bedeutet für ihn immer wieder neu zu beginnen. Da jeder Lehrer anders unterrichtet und Schwerpunkte legt, scheitert er zwangsläufig. Das ist anstrengend und bisweilen sehr frustrierend, schützt ihn aber vor der all zu schnellen Vermarktung seines Talentes, und erweitert seinen Horizont. Der klassische Musikmarkt ist ebenso gnadenlos auf Profit ausgerichtet wie der restliche Markt, und saugt junge Begabungen aus, bevor diese zu einer wirklichen Reife in ihrem Spiel gelangen können. Dieses Schicksal bleibt Levit erspart.
Er ist ein eigensinniger Typ, was nicht so beliebt ist weder bei Lehrern Veranstaltern oder gar Kritikern. Doch er hat Familie, Freunde und eine Agentin die an ihn glaubt. Auch das öffnet Türen – mit der Zeit. Zudem ist dieser Musiker auch ein Mensch mit Überzeugungen, die er nicht verschweigt. Damit macht er sich auch Feinde, die ihn mit dem Tod bedrohen, wenn er z. B. Rassisten und Nazis offen seine Meinung „geigt“.
Florian Zinnegger porträtiert hier fein und eindrücklich in guter Sprache den Künstler und Mann Igor Levit, der eigentlich immer mit offenem Visier durch sein Leben geht. Er zeigt Stärken, Schwächen und Gefühle, das macht ihn mir sehr sympathisch. Außerdem ist er ein toller Pianist. Gemeinsam ist beiden ein wunderbares Buch gelungen.