Ungewöhnliche Einblicke in das Leben eines außergewöhnlichen Menschens

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waldeule Avatar

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Für mich war das Buch weniger eine klassische Biografie als mehr ein Einblick in das Leben des Ausnahmemusikers und Aktivisten Igor Levit. Er und der Autor Florian Zinnecker zeigen uns Höhen, aber auch Tiefen und Zweifel seines Schaffens und bisherigen Werdegangs. Das Buch ist zur Zeit der Corona-Lockdowns erstanden, in dem Igor Levits Leben zwangsläufig komplett umgekrempelt wird.

Die beiden haben eine sehr ungewöhnliche Erzählweise gewählt. Ohne zeitliche Abfolge werden immer wieder Episoden und Ereignisse aus dem Leben Igor Levits herausgegriffen und beleuchtet. Dabei springen die beiden im Leben Igor Levits vor und zurück und greifen manche wichtige Wendepunkte immer wieder unter verschiedenen Gesichtspunkten auf. Das ist kurzweilig und aufschlussreich, auf Dauer aber auch sehr anstrengend, da mir teilweise ein durchgehender roter Faden gefehlt hat. Viele Szenen werden anhand wörtlich widergegebener Gespräche oder Vorträge geschildert. Auch das ist für mich eine ungewöhnliche Vorgehensweise, die mir zwar die Gedanken Igor Levits näherbringen, aber ebenfalls fordernd beim Lesen ist.

Inhaltlich war es für mich ein Blick über meinen Tellerrand hinaus, da ich bislang wenig Zugang zu klassischer Musik hatte. Das hat sich durch das Buch geändert, denn Florian Zinnecker schildert z. B. das Spiel der Waldsteinsonate von Beethoven so mitreißend, dass ich gar nicht anders konnte, als mir dieses und auch andere Musikstücke anzuhören. Diese tolle Beschreibung von Musik war für mich ein wesentlicher Pluspunkt des Buches.

Ansonsten erfahre ich viel über das Leben und Denken von Igor Levit. Zum Teil sehr detailliert wie seine musikalische Prägung, zum Teil bleibt anderes, was mich interessiert hätte wie Näheres zu seinen politischen und gesellschaftlichen Aktivitäten, aber unerzählt. Oder ist das Buch nur für Fans gedacht, die seine Aktivitäten in den (sozialen) Medien sowieso verfolgen? Das wäre aber sehr schade! Igor Levit wird als „ganz normaler Mensch“ beschrieben, nicht als musikalisches Wunderkind und auch seine Schwierigkeiten und Zweifel haben ihren Platz. So bin ich als Leserin sehr nah an ihm dran, was mir gut gefallen hat und einen durchaus kritischen Blick hinter die Kulissen des klassischen Musikbetriebes ermöglicht.

Fazit: Was bleibt ist eine äußerst ungewöhnliche Biographie eines außerordentlichen Menschen. Durchaus lohnenswert, aber so ganz überzeugen konnte sie mich aufgrund der teilweise anstrengenden Schreibweise nicht. Es bleiben einzelne Gedanken im Kopf, wenig aber vom großen Ganzen – außer den tollen Beschreibungen von Musik.