Im Bann des Hinterlands!

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sternchen1202 Avatar

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Alice und ihre Mutter Ella sind überall und nirgendwo Zuhause. So etwas wie einen festen Wohnsitz kennt Alice überhaupt nicht, da die beiden immer weiterziehen, wenn sie „das Unglück gefunden hat“. Über Alice Vater spricht Ella genauso wenig wie über ihre eigene Mutter, Alice Großmutter. Althea Proserpine hat das Buch „Märchen aus dem Hinterland“ geschrieben und lebt zurückgezogen auf ihrem Anwesen Hazel Wood. Eines Tages erhält Ella die Nachricht, dass ihre Mutter verstorben sei, worauf sie sich entschließt, sesshaft zu werden und zu heiraten. Alice und Ella leben in New York, doch auch hier geschehen merkwürdige Dinge, bis an einem Tag nichts mehr ist wie vorher. Alice findet eine leere Wohnung vor und weiß genau, dass ihre Mutter vom „Hinterland“ entführt worden ist. Gemeinsam mit Ellery Finch, einem verschrobenen Mitschüler, macht sich Alice auf die Suche nach ihrer Mutter. Bei ihrer Suche wird immer deutlicher, dass Alice sich nach Hazel Wood begeben muss – doch die letzte Botschaft ihrer Mutter war, dass sie sich auf jeden Fall von dem Ort fernhalten soll. Doch Alice Sehnsucht nach ihrer Mutter ist stärker als die Angst vor der Warnung. Auf dem Weg nach Hazel Wood begegnen Alice und Filch sehr seltsamen Gestalten und Alice muss verschiedene Aufgaben meistern. Als sie endlich in Hazel Wood ankommt, erfährt sie eine erschreckende Wahrheit über sich und ihre Familie. Muss Alice sich ihrem Schicksal ergeben oder kann sie selbst über den Ausgang ihrer Geschichte entscheiden?

Beurteilung:
Vorweg muss ich sagen, dass es bei „Hazel Wood“ sehr schwierig ist, eine Rezension zu schreiben, ohne allzu viel vom Inhalt zu verraten. Daher deute ich Vieles nur an, um nicht vorwegzugreifen. Ich hoffe, dass es mir gelingt…
Ich muss sagen, dass mich bei „Hazel Wood“ zu allererst das Cover angesprochen hat. Ich habe das Bild von dem Hardcover gesehen und war total verzaubert… Noch begeisterter war ich dann, als ich das Buch in meinen Händen hielt: Die blauen Blätter haben glitzernde Strukturen, die sich wundervoll anfassen und anschauen lassen. Der Titel wirkt wie vom Mondlicht beschienen und leuchtet einem entgegen, obwohl hier vollkommen auf Glitzer verzichtet wurde. Auch unter dem Schutzumschlag (ich lese Hardcover nie mit Schutzumschlag 😊) sind die Blätter weiterhin vorhanden, auch wenn das Blau hier ein wenig dunkler hätte ausfallen können…
Auch die Inhaltsangabe bzw. der Klappentext lasen sich sehr spannend, umso enttäuschter war ich dann, dass sich der Beginn der Geschichte relativ lange zog und irgendwie nichts passierte. Der Leser begleitet Alice und bekommt durch sehr viele Rückblenden sehr viele Informationen über ihr bisheriges Leben, kann diese jedoch nur schwer einordnen. Alice wirkt zu Beginn sehr fahrig, unruhig und lässt sich sehr schnell aus der Ruhe bringen. Kleinigkeiten machen sie unglaublich wütend, was mich sehr nervte. Auch das Verhältnis zu Ella scheint sehr kompliziert zu sein. Beide Figuren wirken am Anfang sehr labil. Teilweise dachte ich, dass Alice oder ihre Mutter kurz vor einer psychischen Erkrankung stehen. Außerdem empfand ich das Mutter-Tochter-Verhältnis als sehr unnatürlich: Alice will ihre Mutter mit niemandem teilen und wenn Ella ihre Ruhe haben will, tritt Alice auch mal die Tür ein…
Schade leider, dass all diese Kritikpunkte direkt zu Beginn auffallen, denn rückblickend betrachtet erzählt die Autorin eine wunderschöne Geschichte. Die Idee ist super und auch die störenden Punkte lassen sich nach dem Beenden des Buches erklären – das liebe ich an Büchern: Wenn man die gesamte Geschichte kennt, sieht man einzelne Bestandteile plötzlich ganz anders. So ist Alices Verhalten verständlich und gegen Ende der Geschichte merkt man ihr deutlich an, dass sie angekommen ist, weiß, wo sie hingehört und sehr viel ruhiger ist. Das hat mir sehr gut gefallen.
Toll fand ich auch, dass in der Geschichte zwei Märchen aus dem Buch „Märchen aus dem Hinterland“ auftauchen. Beide Märchen sind sowohl spannend als auch unheimlich und erhöhen die Sogwirkung des Buches deutlich. Hier hätte ich gerne aber auch noch mehr gelesen… Ähnlich ging es mir auch bei dem Ende der Geschichte: Ich blätterte immer wieder durch die Seiten und fragte mich: „Was? Nur noch so wenige?“ Das, was ich am Anfang als zu viel empfunden habe, hätte ich hier gerne noch ergänzt. Das Ende von „Hazel Wood“ ist nämlich echt schön: Ähnlich wie im Märchen ist es ein Happy-End, jedoch nicht zu kitschig oder übertrieben. Es passt zu jeder Figur und alle haben das, was sie sich gewünscht haben.
Sehr gut gefallen hat mir auch die Welt des „Hinterlandes“: das Hinterland ist eine Welt, in der Geschichten lebendig sind. Die Figuren einer Geschichte leben in ihrer Geschichte, können aber auch in Vergessenheit geraten und dann über ihr eigenes Leben entscheiden – vorausgesetzt, die Geschichtenweberin lässt sie. Althea hat vor Jahren einen Pakt mit der Weberin geschlossen, wodurch eine Brücke zwischen unserer Welt und dem Hinterland entstand. So können Menschen ins Hinterland und Figuren aus Geschichten in unsere Welt gelangen. Auch wenn ich zu Beginn des Romans viele Fragezeichen im Kopf hatte, so war das Hinterland für mich gleich schlüssig und sehr verständlich – auch wenn hier die verrücktesten Geschichten lebendig sind.
Am besten an der gesamten Geschichte hat mir jedoch Filch gefallen. Ellery Filch ist Sohn eines reichen Mannes, der sich jedoch nicht um seinen Sohn kümmert. Filch wirkt wie ein typischer Nerd, der sich Althea Proserpine und allen Mythen rund um ihr Buch verschrieben hat. Daher weiß er auch genau, wer Alice ist. Nach Ellas Entführung ist Filch der einzige, an den sich Alice wenden kann und der sie ohne Bedingungen unterstützt. Leider bekam meine Sympathie etwa in der Mitte des Buches einen kleinen Dämpfer, als ich lesen musste, dass Filch Alice verraten hatte. Als ich dann aber ein paar Seiten weiter von Filchs Schicksal lesen musste, war ich sehr schockiert. Umso mehr hat es mich gefreut, dass er am Ende genau das bekommt, was er schon die ganze Zeit gesucht hat.
Zusammenfassend kann ich sagen, dass mir „Hazel Wood“ trotz anfänglicher Schwierigkeiten sehr gut gefallen hat. Schade fand ich, dass sich gerade Anfang zu sehr hingezogen hat. Nicht jeder Leser hält hier durch. Doch ich kann es nur empfehlen: Wer Fantasy und andere Welten mag, ist bei „Hazel Wood“ genau an der richtigen Adresse. Ich gebe 4 von 5 Sternen.