Top Marketing, aber „Ich sah nichts als Blätter“

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dj79 Avatar

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Selten war ich bei einem Buch dermaßen hin- und hergerissen wie bei Hazelwood. Begeistert durch Optik und Klappentext hatte ich hohe Erwartungen an das Buch, die zunächst nicht erfüllt wurden. Melissa Alberts fantastische, märchenhafte Figuren und Handlungsspielräume für die Charaktere können lange Zeit ihre Wirkung nicht umfänglich genug entfalten. Dafür irrte ich gemeinsam mit den Protagonisten irgendwie kopflos durch New York verließ die Stadt schließlich in nördlicher Richtung. Es hat mich enttäuscht, dass die Autorin über weite Strecken das Potential ihrer brillanten Ideen in meinen Augen verschenkt. Erst mit der Wendung in der Geschichte kam auch meine Begeisterung zurück und blieb dann auch bis zum Schluss. Deshalb muss es auch richtigerweise heißen: „ Ich sah lange Zeit nichts als Blätter“.

Als ich Hazelwood zum ersten Mal online sah, hat es mich mit seinem wunderbaren Cover direkt angesprochen. Da wusste ich allerdings noch nicht, dass man dieses perfekte Look and Feel nur wahrnehmen kann, wenn man Hazelwood in die Hand nehmen darf. Dabei gefällt mir nicht nur der Umschlag, bei dem es so aussieht als wäre der Buchtitel bei Nacht in einen nassen Blätterhaufen gefallen. Der Mond und die Sterne bescheinen die Blätter, was durch den verwendeten Glitzer sehr schön zur Geltung kommt. Nimmt man den Umschlag ab, ist das Buch nicht nackt. Die Blätter bleiben erhalten. Auch das Format finde ich passend. Das Buch lässt sich ganz weit aufschlagen und wirkt dadurch irgendwie breiter als normal, wie ein richtiges Märchenbuch halt.

Ella ist in meinen Augen die kritischste Figur in Hazelwood. Sie bewirkt durch ihrem einzigen, stets gewählten Ausweg der Flucht Alices Unfähigkeit sich mit vorhandenen Problemen auseinanderzusetzen. Dabei hat Ella mit ihrem Tun selbst dafür gesorgt, dass beide vom Unheil verfolgt werden. Obwohl ich Ella anfangs ziemlich cool fand, fing meine Sympathie für sie im Verlauf an zu bröckeln.

Mit Alice, Enkeltochter der sagenumwobenen Märchenerzählerin Althea Proserpine, wurde ich lange Zeit nicht warm. Sie kam trotzig, gleichzeitig schüchtern, vorlaut jedoch ohne eigene Ideen und damit hilflos, aber nervig rüber. Insgesamt empfand ich Alice irgendwie undankbar. Das änderte sich erst, als sie auf dem Weg nach Hazelwood auf sich allein gestellt war. Alice musste aus ihrer Komfortzone heraustreten, ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen. Das hat ihrem Charakter unheimlich gut getan. Nach anfänglichen Schwierigkeiten kam sie nun Schritt für Schritt voran. Endlich kam ich ihr näher, konnte Sympathie für Alice aufbauen.

Mein heimlicher Favorit in Hazelwood ist Finch, auch wenn oder auch gerade weil sein nerdiger Charakter etwas klischeehaft angelegt ist. Er ist von Beginn an aktiv, weiß scheinbar intuitiv in jeder noch so misslichen Lage, was zu tun ist. Er ist bereit, Annehmlichkeiten hinter sich zu lassen, um seine eigenen Wünsche und Träume Wirklichkeit werden zu lassen. Mit Finch habe ich am meisten mitgefiebert. Es wäre mir eine Freude, wenn er bei einer Fortsetzung von Hazelwood auch wieder mit von der Partie wäre.

Neben der grandiosen Aufmachung des Buches haben mir die phantasievollen Figuren und auch die mystisch anmutende, etwas dunklere Märchenwelt sehr gut gefallen. Weniger erbaut war ich von dem für mein Gefühl zu langgezogenen Start ins Geschehen. Gerade auch zu Beginn hätte ich mir eine tiefere Beschreibung der Charaktere gewünscht. So ist mache von ihnen ausgehende Wirkung bei mir eher lautlos verpufft. Zum Ende hin wurde aber auch ich abgeholt und von Hazelwood in den Bann gezogen. Sollte es weitere Bände geben, würde ich ihnen gern eine Chance geben.