Die perfekte Sommerlektüre

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isabella_ Avatar

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Seitdem sie Antidepressiva nimmt und zur Therapie geht, ist Maries Leben stabil: Sie kann ihrer eintönigen Arbeit nachgehen und mit ihrer fordernden Mutter zurechtkommen. Und gestern erst hat sie Einjähriges mit ihrem Freund Emil gefeiert. Nur meldet der sich jetzt nicht mehr – und Maries Welt gerät gehörig ins Wanken.

Auch bei Tom läuft es nicht gut. Eigentlich will er Musik machen, aber sein Vater – und Manager – ist der Meinung, dass eine Hauptrolle im neuen »Bello«-Film (und ein Batzen Instagram-Content) wesentlich lukrativer sind. Doch als Tom in einen Skandal verwickelt wird, hasst ihn mit einem Schlag ganz Deutschland. Kurzerhand nimmt er sich eine Auszeit und fliegt in die Toskana. Dort begegnet er Marie, die wiederum Emils Spuren folgt. Aber damit hat der Ärger erst angefangen …

Bei Heartbreak hat man von den ersten Seiten an das Gefühl, einen Unfall zu beobachten und doch nicht wegschauen zu können: Da ist Marie, die von ihrem Freund allzu deutlich geghostet wird und der Wahrheit noch nicht so richtig ins Auge blicken kann. Und da ist Tom, hin- und hergerissen zwischen den Vorstellungen seines Vaters und seinen eigenen Wünschen. Man kann gar nicht anders, als die beiden irgendwie gern zu haben – Maries Verletzlichkeit, Toms Zwiespalt und wie ihnen beiden bewusst wird: So kann es nicht weitergehen.

Von Anfang an entwickelt das Buch eine immense Sogkraft. Werden wir herausfinden, warum sich Emil einfach aus dem Staub gemacht hat – und wohin? Und wird es Tom gelingen, seinen Ruf wiederherzustellen und einen eigenen Weg zu finden? Was machen die beiden Verlorenen in der Toskana – und wie können sie sich vielleicht auch gegenseitig helfen?

Wer allerdings krassen Tiefgang erwartet, wird enttäuscht werden – das ist aber auch nicht bei einem 300-Seiten-Buch zu erwarten, in dem sich der Plot regelmäßig überschlägt und eine Bandbreite von Themen angeschnitten werden. Man merkt, dass sich Bagci gut in Angststörungen und Depressionen eingearbeitet hat, ebenso wie seine Erfahrungen als Podcaster und Moderator in kritischen Bestandsaufnahmen der Medienwelt reflektiert werden. All das ist gepaart mit einem trockenen Humor, der keine Scheu hat, den Finger in die Wunde zu legen.

Die Schlagfertigkeit der Dialoge, die rasante Handlung, die zahlreichen Baustellen der beiden Protagonist*innen – bei Heartbreak gibt’s keine langweilige Minute. Da kann man bereitwillig darüber hinwegsehen, dass Marie und Tom nicht bis ins kleinste Detail ausgearbeitet sind, Nebenfiguren etwas schablonenhaft daherkommen und der Plot zuweilen etwas konstruiert ist. Für mich hätte es auch noch handwerklich etwas runder sein können. So gut auch zu psychischer Gesundheit recherchiert wurde, zuweilen wird es etwas lehrbuchhaft in den Text eingeführt, wenn die Erzählinstanz z. B. mal eben einschiebt, was Schematherapie ist. Oder andauernd zwischen Perspektiven hin- und hergewechselt wird, damit der Text dynamischer daherkommt, was er weder nötig hat noch ihm irgendeinen Mehrwert verleiht.

Aber das macht nichts. Meiner Meinung nach ist Heartbreak eine grandiose Sommerlektüre: gewitzt und unterhaltsam, mit ernsten und leichten Momenten, einer bezaubernden italienischen Kulisse und zahlreichen Kniffen und Wendungen. Wenn man keine hochliterarischen Erwartungen an den Text hat, klappt man am Ende mit einem guten Gefühl das Buch zu, weil man eine Geschichte über Familie und Freundschaft, die großen und kleinen Hindernisse des Alltags gelesen hat – und wie man den Mut findet, sich ihnen zu stellen.

Fazit: Heartbreak ist ein runder Roman, der mit einem spannenden Plot daherkommt und bestens unterhält. Marie und Tom sind unvollkommene Protagonist*innen, die konfrontieren müssen, dass ihre Leben gehörig auf den Kopf gestellt wurden. Das macht sie sehr liebenswürdig – umso mehr, wenn herzerwärmend geschildert wird, wie sie sich gegenseitig unterstützen. Die bunte Themenmischung und der Witz machen den Text zu einer schnellen Lektüre. Dass nicht alles perfekt ausgearbeitet ist und man bei der Handlung und Figurenmotivation das eine oder andere Auge zukneifen muss, tut dem Vergnügen keinen Abbruch. Unbedingt mit ins Freibad nehmen!