Ein Freund, ein guter Freund...

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ladyviola Avatar

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Hector staunt nicht schlecht, als eines Tages eine junge Dame von Interpol in seinem Sprechzimmer sitzt und schwere Vorwürfe gegen einen seiner ältesten Freunde erhebt. Édouard soll der Bank, bei der er zuletzt arbeitete eine erhebliche Summe Geld gestohlen haben und sei seitdem verschwunden. Auch wenn Hector sich nichts anmerken lässt, so weiß er insgeheim doch, dass diese Anschuldigungen nicht von ungefähr kommen, schließlich hat sein Freund ihm erst kürzlich einen ominösen Brief zukommen lassen, der seine heikle Lage andeutet. Da Hector nicht nur ein ziemlich guter Psychiater ist, sondern auch ein guter Freund, beschließt er den Dingen auf den Grund zu gehen und befindet sich schon bald auf einer abenteuerlichen Reise, während der er mehr über sich und seine Einstellung zum Thema Freundschaft erfährt.

\*\*\* \*\*\* \*\*\* Meine Meinung \*\*\* \*\*\* \*\*\*

François Lelord, selbst studierter Psychiater, widmet sich in den Büchern um den Protagonisten Hector stets umfangreichen Themen, welche die Menschheit schon immer interessiert haben und wohl auch weiterhin interessieren werden. Hector beschäftigte sich bereits mit dem Glück, der Liebe, und der Zeit, unterstütze seinen kleinen Sohn bei der Entdeckung der großen Geheimnisse des Lebens und entwickelt nun Neugierde für die Freundschaft. Da ihn dieses Thema gerade selbst sehr zum Nachdenken bringt, beschließt er, sein Umfeld und auch seine eigenen Freundschaften zu beobachten und die daraus resultierenden Feststellungen zu notieren. So stellt er im Verlaufe der Geschichte fest, was die Freundschaft für ihn selbst ausmacht, welche Arten der Freundschaft es gibt und wie wichtig die Freundschaft für ihn eigentlich ist.

Das kleine Abenteuer, in dessen Geschichte François Lelord stellvertretend durch seinen Protagonisten Hector einige Lebensweisheiten zum Thema Freundschaft eingewebt hat, gefällt mir prinzipiell sehr gut. Durch die Ausarbeitung einer Story wird die Beschäftigung mit diesem Thema nicht zu trocken und dennoch bietet das Buch genug Denkanstöße, um sich persönlich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Hierbei bietet der Roman zwar keine tiefgreifenden Ratschläge und wirft auch keine außergewöhnlichen Fragen auf, doch wichtige Aspekte zum behandelten Thema werden dennoch angesprochen und anhand von Hectors persönlichen Erfahrungen beispielhaft angeführt. So schweifen die Gedanken des Lesers beizeiten immer wieder ab, um sich mit dem eigenen Umfeld und den persönlichen Freundschaften zu beschäftigen. Viele der  von Hector notierten Beobachtungen kann auch ich auf meinen eigenen Freundeskreis übertragen und da mich das Thema aktuell wieder einmal stark beschäftigt, war das Buch ein netter Begleiter für meine Grübeleien.

Da Hectors Geschichte in einem sehr schlichten Stil vorgetragen wird und somit auch die Beobachtungen rund ums Thema Freundschaft sehr einfach formuliert sind, dürfte sich ein jeder Leser leicht in der Materie einfinden. Auf seiner Reise trifft Hector viele seiner Freunde und auch einige neue Bekanntschaften, wodurch von ihm Erkenntnisse über verschiedene Stadien der Freundschaft gewonnen werden. Seine Gedanken, Äußerungen und Handlungen werden in einem ganz eigenen Stil vorgetragen. Einerseits lässt sich seine Unbedarftheit bewundern, dann wiederum lassen einige sehr ironische Passagen den Leser schmunzeln und zu anderen Gelegenheiten gibt es dann sogar sehr informative Stellen. Wenngleich die Story an sich kaum realistisch ist, so bleibt sie dennoch stets sehr unterhaltsam und es lässt sich ein ganz eigener Charme ausmachen. Berichtet wird von einem wilden Abenteuer, dass Hector raus aus seiner Praxis und rein in den tiefsten Dschungel führt. Vordergründig geht es um seinen Freund Édouard, viel gestohlenes Geld und jede Menge Menschen, die nun zu Recht verärgert und auf der Suche nach Édouard sind. Genug Story also, für ein kleines Abenteuer.

Getrübt wird meine Meinung zu diesem Buch durch die Tatsache, dass mir der Protagonist weitgehend unsympathisch ist. In der Geschichte schimmern einige Lebenseinstellungen und Meinungen durch, welche ich nicht vertreten kann und so entwickelte ich immer wieder eine Wut auf Hector selbst, wodurch meine Gedanken leider auch um negative Aspekte kreisten, mit denen ich mich gar nicht auseinandersetzen wollte, es zwangsläufig aber musste. Obwohl sich dieses Empfinden natürlich über das ganze Buch erstreckt hat, hat mir diese Tatsache die Lektüre nicht vermiest. Im Gegenteil: Gerne spreche ich eine Empfehlung für diesen Roman aus.