François Lelord - Hector und das Wunder der Freundschaft

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Aristoteles unterschied Freundschaften, die sich auf Vergnügen gründen, Freundschaften, die auf dem Nutzen beruhen, und tugendhafte Freundschaften, wobei die letzteren in seinen Augen natürlich die wahren Freundschaften sind.

Aber nicht nur Aristoteles, nein jeder von uns hat seine eigene Ansicht zum Thema Freundschaft und was sie für einen selbst bedeutet.

Der Psychiater Hector, derzeit weit entfernt von der Heimat unterwegs um seinem alten Freund Édouard zu helfen, der mehrere Millionen unterschlagen haben soll, erhält Emails seiner zu Hause gebliebenen Frau Clara. Und auch im Briefwechsel zwischen Hector und Clara geht es um das Wesen der Freundschaft.

Aber Hector erfährt während seines Aufenthaltes im fremden Land auch viel über Menschenliebe und Freundschaft zwischen den verschiedensten Menschen. Ob das sein Freund Jean-Michel ist, der als Arzt Aidskranke betreut, die Leiterin einer Organisation, die in die Prostitution verschleppten Frauen hilft (\*) oder Hectors ehemaliger Mentor und Kollege Brice, der sich zu intensiv mit den eigenen Patientinnen beschäftigt hat und nun fern der Heimat ausschließlich Beziehungen zu käuflichen Damen pflegt, alle steuern Facetten zum Thema Freundschaft bei.

Hector muss sich eingestehen, dass er beruflich derartig eingespannt ist, dass er kaum noch Zeit für seine eigene Familie hat. Er stellt fest, dass man, wenn man beruflich weiterkommt, viel mehr Zeit mit Leuten verbringt, mit denen man sich eigentlich gar nicht treffen möchte, als mit den alten Freunden. Fazit: Echte Freunde sind so rar wie Baumriesen!

Besonders intensiv beschäftigt sich Hector mit der Erinnerung an seine prominente Patientin „Die Lady“, eine berühmte Sängerin, die Drogen und Medikamente konsumiert, sich mit den falschen Männern einlässt und trotz ihres Ruhmes kein glückliches Leben führt. Ausgerechnet ihr begegnet er mitten in einem tropischen Urwald, er auf der Suche nach Édouard, sie bei Dreharbeiten zu ihrem ersten Film. Als Hector Édouard schließlich trifft, verändert dies nicht nur Hectors Ansicht über die Freundschaft  und das Leben.

Fazit:

Besonders für verregnete Sommertage ein sehr geeignetes Buch, wenn man es sich damit auf der Couch bequem macht und aus Gedankengängen des Buches heraus die eigenen formulieren kann. Vor allem die Beobachtungen, die Hector zu einzelnen Aspekten der Freundschaft notiert, haben es in sich, den Leser noch längere Zeit zum Nachdenken zu bewegen.

Im Gegensatz zu vielen sogenannten Lebensratgebern ist dieses Buch nicht in einer belehrenden Form gehalten. Eine interessante, teilweise spannende Rahmenhandlung stützt die eingebetteten philosophischen Gedanken, man ertappt sich beim Lesen dabei, das man aus dem Fenster sieht und über das Gelesene sinniert. Ein Buch, das lange in einem nachwirkt und das ich sicherlich nicht nur einmal lesen werde. Und auch ein Buch, das sich für mich hervorragend zum Verschenken eignet.

Zum Buch selber: Schönes Cover, das gut zur Thematik passt (ein Junge, an der Hand gehalten von jeweils einer weiblichen und einer männlichen Hand, der über die Erdkugel hüpft), ein hellgrau-glänzender Leineneinband, ein rotes Vorsatzblatt und als zusätzliches Plus für Bibliophile: Das Lesebändchen - für mich immer eine große Freude!

François Lelord hat auch noch andere Hector-Bücher geschrieben, die ich sicherlich demnächst lesen werde in der Hoffnung, dass diese zutiefst positive Stimmung von „Hector und das Wunder der Freundschaft“ sich auch in seinen anderen Büchern zeigt.

(\*) www.somaly.org (Homepage der Somaly-Mam-Stiftung)

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_Entweder man lebt, oder man ist konsequent. (Erich Kästner)_