Eine literarische politische Fiktion mit viel Potenzial

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Auf den ersten Blick sieht "Heimatsterben" aus wie ein ganz normaler zeitgenössischer Roman – ein dezentes Cover, eine Frau mit Ärger in der Liebe und einer sterbenden Angehörigen in der Familie, der sie beistehen muss. Eigentlich der Stoff für einen Familienroman. Der zweite Blick aufs Cover und die Leseprobe enthüllen jedoch, dass es hier um viel mehr geht: Denn der scheinbar stillebenhafte Apfel ist in Wahrheit verrottet, und in Hannas Familie geht es um mehr als eine sterbende Oma. Hanna hat Deutschland eigentlich den Rücken zugewandt, aber der faule Apfel befindet sich in Gestalt des Schwagers Felix direkt in der Familie.

Die Idee, eine nahe Zukunft zu entwerfen, in der eine rechte Partei die deutsche Politiklandschaft unterwandert, finde ich sehr gut und vor allem in der heutigen Zeit mehr als aktuell und wichtig. Die Art und Weise, wie die neue BürgerUnion und Felix von Altdorff dargestellt werden, kommt einem erschreckend vertraut vor – es ist sicher kein Zufall, dass Hanna sie mit der Trump-Administration vergleicht. Polemik und vermeintliche Bürgernähe sind an der Tagesordnung und verschleiern viel düstere Umtriebe. Mir gefällt, dass all das so nah an der heutigen Realität konstruiert wird (mit der sogenannten Werte-Union der CDU könnte ja durchaus Ähnliches passieren) – so kommt man sehr schnell mitten im Geschehen an.

Die politische Fiktion ist also die eine Sache, die Familienkonflikte die andere. Ich vermute, dass beides eng ineinander spielen wird, denn Hanna muss sich bei ihrem Familienbesuch ja notgedrungen mit ihrem Schwager auseinandersetzen. Ich bin gespannt auf die Diskussionen und Konflikte, die dort sicher aufkommen werden, aber auch auf die Entwicklung, die der Roman für das ganze Land vorsieht. Steuert Deutschland in "Heimatsterben" auf eine Diktatur zu? Oder lässt sich das Schlimmste noch durch Diskurs und Protest (auch innerhalb der Familie!) verhindern?