Debütantischer Volltreffer zu einem brandaktuellen Thema

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Sarah Höflich ist mit „Heimatsterben“ eine beeindruckende Verknüpfung von Familiengeschichte und politischem Thriller gelungen. Sprachgewaltig und nahe gehend führt die Autorin in drei, durch Jahreszeiten gekennzeichneten, Teilen durch die hochspannende Geschichte.
Alles beginnt als Tilde Ahrens, 97 Jahre alt, nach einem Treppensturz auf der Intensivstation liegt. So macht sich ihre Lieblingsenkelin und Protagonistin Hanna aus den USA auf den Weg nach Deutschland. Auf dem Flug liest Hanna die Erfolgsgeschichte ihres Schwagers Felix, der mittlerweile Parteichef der neu gegründeten Partei 'BürgerUnion' ist. 'Wir sind Heimat', der Slogan dieser rechts orientierten Partei, wird durch Felix, nach seiner Metamorphose zum bürgernahen rechtskonservativen Politiker mit adligem Stammbaum und Vorzeigefamilie, überzeugend vertreten. Großmutter Tilde hat die Schrecken der Diktatur während des Krieges erlebt, die Flucht und den Tod hautnah erfahren. Und Hanna? Sie soll nun Felix parteipolitischen Weg zur Kanzlerschaft beraterisch unterstützen.

Spannend dargestellt sind die Mitglieder der Familie. Jede/r für sich ist ein sehr spezieller Charakter. Sie alle vertreten durchaus konträre Ansichten und Lebensformen. Gut fand ich, dass im Einband der Stammbaum der Familie Ahrens abgebildet ist. Dadurch ist es leicht den Überblick darüber zu behalten, wie die Akteure zueinander verwandt sind. Hanna ist hin und her gerissen sich loyal gegenüber ihrem Schwager und ihrer Schwester zu verhalten, dabei jedoch nicht ihre eigene Integrität aufs Spiel zu setzen. Dieser Gewissenskonflikt ist stark und nachvollziehbar beschrieben. Für mich verkörpern die Familienmitglieder verschiedene Teile unserer Gesellschaft mit entsprechend diversen Formen ihres Lebens, ihrer Haltung und ihrer politischen Meinung. Beeindruckt hat mich die Dynamik des Einflusses der BürgerUnion auf die Gesellschaft und die Auswirkung der braunen Wurzeln des Faschismus, der durch die alte (adlige) Familie zur Mühlen verkörpert wird. Das Bild des faulenden Apfels, der durchaus seinen Sinn im Lebenszyklus auf der Erde hat, der jedoch auch stinken kann, wenn er auf den falschen Untergrund fällt. Dieses Bild auf dem Buchcocer fasst die Geschichte gut zusammen.

Fazit: Chapeau, für dieses gelungene Debüt! „Heimatsterben“ ist ein unbedingt lesenswertes Buch, das ich kaum aus der Hand legen konnte. „Wehret den Anfängen“, das Motto auf dem Plakat der politischen Gegenbewegung, bringt es auf den Punkt. Wir sollten es für die kommende Wahl im September in Erinnerung behalten.