Deutsche Dystopie - Fakt oder Fiktion?

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kalli Avatar

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Heimatsterben ist ein höchst politischer Roman, der aktueller nicht sein könnte.
Die Journalistin Hanna Ahrens, nach der großen Philosophin benannt, kehrt wurzellos ihrem Geliebten und ihrem Job in Amerika den Rücken zu, um in den letzten Stunden bei ihrer geliebten Großmutter Tilde zu sein, die gestürzt ist.
Nüchtern, rational, kühl, eher links wird sie nun wieder in den Schoß ihrer Familie verwoben, von denen sie nicht grundlos Abstand gesucht hatte. Komplizierte Familienverhältnisse gibt es nämlich hier schon seit drei Generationen. Aus der Not des Krieges entstand ein konservatives Matriarchat, das viel Nähe verspielt hat, viel Enttäuschung und Entfremdung hervorgebracht hat.
Auf diesem Boden entsteht nun eine politische Bewegung am rechten Rand. Hannahs Schwager Felix selbst hat mit Tildes Unterstützung eine rechtsnationalistische Partei gegründet und wickelt Hannah mit ein, als Intellektuelle sein Gewissen, seine Ratgeberin zu werden.
Sarah Höflich schafft es so in ihrem Debütroman geschickt, das verlorene Heimatgefühl aus dem zweiten Weltkrieg, aus Flucht und Vertreibung, mit der Gegenwart zu verbinden. Linke und Rechte Köpfe glaubhaft zu vereinen, und vor allem, die Gefahr einer rechten Bewegung im Untergrund deutlich aufzuzeigen.
Dabei bedient sie sich jedoch einiger Klischees und Übertreibungen, die die Lektüre etwas zu bunt, etwas zu platt und ausgetreten werden zu lassen. Was für mich gar nicht geht, ist der unkritische Gebrauch des politisch vereinnahmten Begriffs "Asylant". Lesen lässt sich das Buch dennoch wunderbar und rüttelt nun gerade zur Bundestagswahl hoffentlich den einen oder anderen wach. Deshalb klare Leseempfehlung!