Ein starkes Debut

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keke Avatar

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Die über 90 jährige Tilde Ahrens fühlt, das sich ihr Leben dem Ende zuneigt. In Rückblicken wird dem Leser ihr Leben skizziert und es wird klar, dass Tilde eine sehr konservative Frau mit hohen Werten ist. Da passt es ins Bild, das sie mit ihrem Sohn nach dessen Coming Out kein Wort mehr redet.
Nunmehr nach einem Sturz lebensgefährlich verletzt hat sie nur noch den einen Wunsch, ihre Lieblingsenkelin Hanna noch einmal zu sehen.
Hanna reist Hals über Kopf aus den USA an und kommt gerade noch rechtzeitig, ehe Tilde ihren Verletzungen erliegt. Auf dem Sterbebett bitte Tilde Hanna um einen letzten Gefallen. "Pass. Auf. Sie. Auf ".
Hanna glaubt, sie solle auf ihre Schwester Trixie aufpassen. Diese ist mit dem aufstrebenden Politiker Felix von Altdorff verheiratet, der sich anschickt, als Spitzenkandidat der BürgerUnion Kanzler der BRD zu werden. Bald jedoch wird klar, das Tilde Hanna nicht nur gebeten hat auf ihre Schwester aufzupassen, sondern auch auf deren Mann Felix.
Hanna, die sich mit der nationalistisch ausgerichteten BürgerUnion zwar nicht in Gänze identifizieren kann, lässt sich aber gleichwohl von Felix überreden, ihn bei seinen politischen Aktivitäten zu unterstützen. Ausschlaggebend dabei war die Tatsache, dass ihre Großmutter Felix Ansichten vollumfänglich teilte.
Und nun erlebt der Leser, wie die radikalen Kräfte der Partei, die auch innerhalb Hannas eigener Familie angesiedelt sind, immer mehr Überhand gewinnen und es wird klar, das Felix offensichtlich nur das gemäßigte Aushängeschild dieser Partei ist. Gleichzeitig stellen sich andere Familienmitglieder eindeutig gegen Hanna und Felix.
Lässt sich Hannas Entscheidung, Felix zu unterstützen auf Dauer mit ihrem ehrlichen und aufrechten Charakter und ihren eigenen politischen Ansichten vereinbaren?
Und schafft es Felix, die radikalen Kräfte in seiner Partei im Zaum zu halten?

Erwartet hatte ich einen weiteren Familienroman, wie es ihn gerade im Moment in unzähligen Varianten auf dem Buchmarkt gibt, bekommen habe ich ein hochaktuelles politisches Buch, welches noch lange Stoff zum Nachdenken bietet.

Der Debutroman von Sarah Höflich ist derart flüssig und packend geschrieben, dass man kaum glauben mag, dass es sich um ein Erstlingswerk handelt.

Einmal angefangen, konnte ich den Roman nicht mehr aus der Hand legen.

Alle handelnden Personen sind mit ihrem Charakter und ihren Eigenarten so gut beschrieben, dass man sich als Leser unschwer mit diesen Personen identifizieren kann.

Da gerade im ersten Teil des Buches sehr viele Einzelheiten zu den verwandtschaftlichen Beziehungen erzählt werden, leistet der vorn abgedruckte Familienstammbaum gute Dienste, denn er erleichtert es dem Leser, den Überblick zu behalten.

Wie die Autorin es im Verlaufe des Buches schafft, innerhalb einer weit verzweigten Familie alle menschlichen Charaktereigenschaften und Verhaltensweisen zu schildern, deren es zum einen bedarf, um eine Demokratie an den Rand des Abgrundes zu bringen, und deren es zum anderen bedarf, dieser Strömung etwas entgegenzusetzen, sucht seinesgleichen.

Die Vorstellung, diese Fiktion könnte wahr werden, verursacht mir mehr als Beklemmungen.

Ich wünsche dem Buch aus aktuellem Anlass daher viele interessierte Leser.
Mich hat es einerseits gut unterhalten, andererseits hat mir das Buch sehr viele Denkanstöße geliefert und es wird mir noch lange im Gedächtnis bleiben.