(K)eine Heimat

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Die Handlung von Sarah Höflichs Roman "Heimatsterben" findet in der sehr nahen Zukunft statt, in der sich politische, gesellschaftliche und die Umwelt betreffende Entwicklungen, die teilweise heute bereits sichtbar sind, sich noch deutlich verschärfen.
Die Geschichte wird aus der Sicht von mehreren Figuren erzählt, die alle mit der Familie Ahrens irgendwie in Verbindung stehen. Deren fast hundertjährige Matriarchin Tilde Ahrens liegt am Anfang des Romans im Sterben, woraufhin ihre Enkelin Hanna aus den USA zurückkehrt, um ihr Beizustehen. Hanna ist sich unschlüssig, wie es für sie weitergeht und wird prompt vom Ehemann ihrer Jüngerer Schwester Trixie, Felix von Altdorff einem adeligen Kanzlerkandidat an der Spitze einer rechten Partei, zu seinem Berater gekürt.
Felix und seine Partei sind extrem populär in Deutschland und es scheint so, als ob die Bevölkerung und seine Partei geschlossen hinter ihm stehen würden. Doch der Schein trügt, selbst unter seinen eigenen Unterstützern werden Zweifel groß, dass er nicht hart genug zugreifen würde. In der Bevölkerung werden indes Stimmen laut, die sich gegen den zunehmenden Polizeistaat wehren. Bis die Stimmung ihren Höhepunkt erreicht...
Höflich ist ein sehr spannender und brisanter Roman gelungen, der sehr realistisch ist. Zwar kann man nie hundertprozentig voraussagen, wie sich die Dinge entwickeln werden, weil jeden Moment etwas unerwartetes passieren kann, aber wenn man einigermaßen die Nachrichten verfolgt, sieht man, dass vieles, was in "Heimatsterben" angesprochen wird, bereits heute schon sichtbar ist, etwa die Klimakrise, der Rechtsruck in der Politik oder die Flüchtlingsfrage.
Deshalb und weil ich gerne "Was wäre, wenn..." Szenarien mag, gefiel mir der Roman sehr gut.
Auch das Cover mit dem halb verfaulten Apfel passt perfekt zum Inhalt. Vor allem, weil es auch im Roman in einer Szene aufgenommen wurde.
Bei den Charakteren hätte mir etwas mehr Tiefe gefallen. Als Leser*in erfährt man zwar viele Aspekte über sie, aber sie bleiben stellenweise doch recht flach. Jedoch hat mich das beim Lesen nicht sehr gestört, wie es in anderen Werken der Fall gewesen wäre, einfach, weil die Story sehr spannend war und dies dadurch aufgewogen wurden.
Einige wenige Tippfehler (so u.a. eine falsche Zahl im Stammbaum auf der Innenseite des Buchcovers), merkwürdige Absätze, wo eine Konversation zwischen zwei Figuren etwa durch einen Absatz geteilt wird und eine fehlerhafte Assoziation (Kurden wurden mit Albanern gleichgesetzt), störten zwar den Lesefluss etwas, aber durch ihre geringe Anzahl fielen sie nicht weiter ins Gewicht.
Alles in allem kann ich dieses kurzweilige und spannende Buch allen ans Herzen legen, die sich für einen möglichen Weg, wie sich heutige Ereignisse weiterentwickeln könnten, interessieren.