Sarah Höflich – Heimatsterben

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Der nahende Tod ihrer geliebten Großmutter bringt Hanna aus den USA zurück nach Deutschland. Eigentlich sollte es nur ein kurzer Besuch werden, doch die Journalistin beobachtet fasziniert, was sich in ihrer Heimat tut. Konservative Kräfte haben immer mehr Zulauf, geradezu völkisch mutet das an, was die neue Partei BürgerUnion in ihrem Programm stehen hat. Ganz weit vorne in der Bewegung ist Felix von Altdorff, Spross einer alten Adelsfamilie, Ehemann von Hannas Schwester Trixie und aussichtsreichster Kandidat auf die Kanzlerschaft. Als er Hanna überraschend um Unterstützung bittet, ist die Journalistin zunächst geneigt, dies abzulehnen, aber die Chance, ein Gegengewicht zu bilden und das Abdriften an den rechten Rand verhindern und am Rädchen der großen Politik mitdrehen zu können, überzeugen sie dann. So erlebt sie unmittelbar, wie sich die Regierung 80 Jahre nach der schlimmsten Katastrophe wieder in selbige bewegt.

„Pass bloß auf. Das da drüben ist nicht mehr Deutschland, Hanna.“ Ihre Stimme klang heiser. „Das ist das Vierte Reich!“

Sarah Höflichs Roman greift aktuelle gesellschaftliche und politische Entwicklungen auf und treibt diese gar nicht mal so unheimlich viel weiter. Eine vorgeblich bürgerliche Partei, jedoch mit radikalem rechten Flügel, der alte Parolen nur etwas moderner verpackt, kann weite Teile der enttäuschten Bevölkerung erreichen. All die Abgehängten und Enttäuschten, die einen Sündenbock für das suchen, was in ihrem Leben nicht glückt, werden bedient und finden sich wieder. Unheilvoll rast die einstmalige Musterrepublik auf den Abgrund zu.

Dramaturgisch raffiniert aufgebaut beginnt der Roman mit Flucht und endet mit dieser. Der alte Spruch, dass Geschichte sich wiederholt, wird in „Heimatsterben“ überzeugend umgesetzt. Nicht nur zeigt er, dass ein gewisses Gedankengut schlichtweg nicht totzukriegen ist, sondern auch, dass gemäßigte Kräfte, die mit besten Ansinnen an ihre Aufgaben gehen, letztlich auch zum Opfer der Geister werden können, die sie selbst gerufen und gestärkt haben. Es ist nicht der plötzliche große Umsturz, sondern der schrittweise Marsch in eine Richtung, die die gemäßigten, weltoffenen Bürger ihr Land nicht mehr erkennen lässt. Man hat es kommen sehen, nur: niemand hat etwas dagegen getan.

Wenn Literatur relevant sein möchte, muss sie auf das reagieren, was sich in der Welt tut. Genau das gelingt der Autorin, sie zeichnet ein erschreckendes Szenario, das nicht schwarz/weiß ist, sondern auch die feinen Schattierungen aufweist, die das Leben so komplex und undurchschaubar machen. Ihre Figuren wirken dabei authentisch, was die Handlung ausgesprochen real wirken lässt. Das, was sie in ihrem Roman schildert, könnte genau so Realität werden. Ein charismatischer Anführer für ein enttäuschtes und frustriertes Volk – viel mehr benötigt es manchmal nicht, um den Stein ins Rollen bringen, der sich nicht mehr aufhalten lässt.