Glück und seine Facetten

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singstar72 Avatar

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Das hatte ich schon lange nicht mehr - Angst, eine Rezension zu schreiben, weil man das Buch nur zerreden würde. Jetzt ist es wieder so weit. Florian Beckerhoff ist mit diesem Buch ein zauberhaftes Stück Leseglück gelungen, das auf tieferer Ebene nachhallt und durch berührende Charaktere und viel Situationskomik besticht.

Ich mag noch nicht einmal den Plot wirklich nacherzählen; weil erstens sich der Zauber eines Buches in den seltensten Fällen dadurch einfangen lässt, und weil zweitens gerade in diesem Falle die Botschaft viel tiefer liegt. Oberflächlich gesehen, geht es um einen winzigen Lottoladen mitten in Berlin. Es geht um den schrulligen Besitzer, einen älteren Herrn, seine noch viel schrulligeren Kunden, und einen Schriftsteller. Es geht um einen verlorenen Lottoschein und den Versuch, dessen rechtmäßigen Besitzer zu finden.

Auf tieferer Ebene geht es aber um das wahre Glück, oder was die Menschen dafür halten. Es melden sich allerlei "Aspiranten" in Herrn Haiduks Laden, die teilweise die abstrusesten Ideen bezüglich des angeblichen Lottogewinns verfolgen. Es geht um Nachbarschaftlichkeit und Berufung - Herr Haiduk bringt den Schriftsteller dazu, wieder zu schreiben. Und nicht zuletzt hat Herr Haiduk "seine" Berufung in seinem kleinen Laden gefunden. Es geht auch um Schüchternheit und wie man sie überwindet. Denn ursprüngliche Finderin des Lottoscheins ist Alma, eine stille, verhuschte junge Kundin, die erst wieder lernen muss, mit anderen zu reden.

Nicht vergessen möchte ich aber auch die schiere Leselust, die sich aus der Detailfreudigkeit des Autors, der teilweise herrlich schrägen Situationskomik, den wunderbar fein gezeichneten Nebencharakteren und der hintersinnig konstruierten Rahmenhandlung ergibt. Letzteren Punkt halte ich für das größte Kunststück in diesem Buch. Der "Schriftsteller" war nämlich bei den Geschehnissen gar nicht dabei, sondern bekommt alles von Herrn Haiduk erzählt - beim Grillen, im Laden, auf dem Friedhof. Der Autor tänzelt geradezu zwischen Rahmen- und Binnenhandlung hin und her, so dass es eine wahre Freude für den Leser ist. Man muss ständig auf Zack sein, und es wird keine Sekunde langweilig.

Das Buch atmet außerdem viel französisches Flair - nicht nur durch die Leichtigkeit der Handlung. Herr Haiduk stammt aus dem Maghreb, also dem französischsprachigen Teil Afrikas. Die junge Alma ist Französin. Und auch der Gehilfe Herrn Haiduks, Adamo, hat französische Wurzeln - was ja sein Name belegt (Adamo war/ist ein französischer Sänger).

Das Ende des Buches finde ich durch und durch gelungen! Ich möchte nicht zu viel verraten; nur, dass es halb offen und unerwartet ist. Manch ein Leser mag es als ein wenig süßlich empfinden; für mich jedoch war es genau richtig.

Und wer das Buch jetzt immer noch nicht lesen mag, ist wirklich selber schuld...!