Ach Erich

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nadines_buecher Avatar

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Erich Honecker lebt - denn Mitglieder des Zentralkommittees der Deutschen Demokratischen Republik werden mindestens 110 Jahre alt, erst ab dem (westdeutschen) Rentenalter entfalten sie ihre politische Reife. Klar, oder? Erich, Margot und ihr in Chile akquirierter Fahrer haben Honeckers Tod vorgetäuscht, um ihm nicht nur Ruhe zu verschaffen sondern scheinbar auch, damit er Ostdeutschland erneut den Sozialismus bescheren kann - inklusive Wiederaufbau des Palasts der Republik. Bis die Welt bereit dafür ist, zieht er eine Mauer um seinen Reihenhaus-Garten und kommentiert die Weltpolitik sowie diverse sportliche Ereignisse. Auf Ebay ersteigern er und Margot angebliche Dinge aus ihrem ehemaligen Besitz - hätten sie vorher gewusst, dass sie mit diesen Sachen so leicht an Devisen hätten kommen können, es wäre nicht zum Untergang der DDR gekommen. Schließlich macht Margot sogar, aufgrund ihrer schmerzlich geringen Zuwendungen aus dem kapitalistischen Westdeutschland, in Aktien. Und zur Unterstützung Ostdeutschlands werden Terrassensteine und Fliesen aus der guten alten Heimat geordert. Witzig gemacht, wie Honecker politische Nieten ausdrücklich lobt, Lichtgestalten als unfähig abkanzelt. Immer auf der Suche nach seiner Brille tappt er auch politisch im Dunkeln. So lange, bis auch Margot vorhat, unsterblich zu werden.
Als Tagebucheinträge in unterschiedlicher Länge und mit Kommentaren des Herausgebers - den bereits erwähnten Fahrer der Honeckers - zur Klarstellung einiger Situationen und Ereignisse gespickt wird ein ulkiges Bild der Familie Honecker gezeichnet, mit vielen (fiktiven?) Andeutungen und Wahrheiten, wie z.B. der Jagdleidenschaft Erichs, die eigentlich zerrüttete Ehe der Honeckers und Margots lila Haare.
Das Buch kommt nicht ganz an "Er ist wieder da" und "Goodbye Lenin" heran, doch es liefert eine ganz eigene Sicht, eben die sozialistische, auf aktuelle geschichtliche Ereignisse, die sehr unterhaltsam gestaltet ist. Man sieht die Honeckers direkt vor dem geistigen Auge, ihn als tatterigen alten Herrn, sie weiterhin resolut.
Das Cover fällt definitiv auf, allein durch den Titel, das Foto von Erich Honecker und die schwarz-rot-goldene, amtliche Schnüre. Witzige Unterhaltung.