Genug Platz für Scheitern und Verlust...

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„Man braucht eine Weile, um das zu verstehen“, sagt Vaughn zu mir, „aber in einem Leben ist genug Platz für Scheitern und Verlust.“

Cover:
Ein in Schwarz gehaltenes Cover, am unteren Rand ein kleiner Grasstreif, ein Mädchen, das, auf der Seite schlafend, darüber schwebt, Autor und Titel in einem großen Vollmond...
Sehr stimmig, sehr passend.

Inhalt:
An einem kalten Morgen legt eine junge Frau ein Baby vor das YMCA, neugeboren und in ein graues Sweatshirt gewickelt, mit einem Schweizer Offiziersmesser. Gleich darauf wird das Baby gefunden...

Die Geschichte ist in unterschiedliche Handlungsstränge aufgeteilt. Shannon, das kleine Mädchen, das vor dem YMCA gefunden wurde, erzählt ihr Leben, ihre Zeit als Kleinkind bei wechselnden Pflegeeltern, die sie oft schlecht behandelt haben, bis sie bei Miranda und ihrer Tochter Lydia-Rose landet, wo sie ab ihrem 5. Lebensjahr aufwachsen darf. Ihre Jugend als Außenseiterin, mit dem Wattebausch-Haar, dem toten Auge und der merkwürdigen Figur, die so in kein Schema zu passen scheint.
Dazwischen immer wieder, teils auch aus der Perspektive von Shannon, wird die Geschichte ihrer Mutter erzählt, die letzten Tage vor der Geburt, die dramatischen Ereignisse, die sie dazu bewogen, ihr Neugeborenes aufzugeben und zu hoffen, ihm damit ein besseres Leben zu ermöglichen. Es ist eine Geschichte vom Scheitern, von Sucht und Verzweiflung und einer Liebe, die mehr zerstört als sie Gutes bringt...

Bis sich, an Shannons 17. Geburtstag, die Handlungsstränge überlagern und zu einem stimmigen Ende finden.

Wie es mir dabei ging:
Schon die Leseprobe schnürte mir die Kehle zu, selbst Mutter, berührte mich das Schicksal dieses kleinen Lebewesens, das so herumgestoßen wird, auf sehr vielen Ebenen. Auch die Art, wie die Geschichte ihrer Mutter erzählt wird, diese unglaubliche Perspektive aus Shannons Augen, der oft neutrale Ton, in dem sie erzählt („Meine Mutter will nicht reden. Sie starrt ins Leere. Als sie das Bewusstsein wiedererlangt, versucht sie, sich die Pulsadern aufzuschneiden...) schaffte es, mich tief zu bewegen.
In beiden Strängen spitzt sich die Lage zu, man ahnt, dass die Handlungen nur einem sehr heftigen und schmerzhaften Höhepunkt enden können, gerät von dem Elend damals direkt in die Jetzt-Zeit, im Hinterkopf noch immer die Frage, wie es im anderen Teil der Geschichte weitergeht...
Als Shannon ins Teenageralter kommt, verliert sie fast den Halt, gerät mit Drogen in Berührung, verliert den Boden unter den Füßen („Manchmal möchte ich einfach nur ausrasten. Heroinsüchtig werden und einfach abtauchen.... Wenn ich aufwache und in den Spiegel blicke, ist alles, was ich denke "Du schon wieder".“). Bis sie versucht, ihre Wurzeln zu finden, unterstützt von dem Mann, der sie fand.
Und feststellen muss, dass es zwar wichtig ist, seine Wurzeln zu kennen, „Familie“ aber etwas ganz Anderes bedeutet, für einen da sein, verzeihen, helfen, sich entfernen und wieder zusammenfinden...

Fazit:
Ein schweres, trauriges Buch, das ich oft weglegte, um tief durchzuatmen und mit den Tränen zu kämpfen.
Und trotz allem letztendlich ein Gefühl der Hoffnung in mir hinterließ, mir ein Lächeln auf das Gesicht zauberte und mich mit positiven Gedanken in die Außenwelt entließ.
Denn am Ende schließt sich der Kreis, man beginnt zu verstehen...

Wie Vaugn so treffend sagt: „Wenn man mitten im Getümmel des Lebens steckt, dann kommt es einem wie ein einziges Desaster vor, Shannon – eine Überraschung jagt die nächste. Doch wenn man dann später auf sein Leben zurückblickt, wirkt es wie ein plausibler Handlungsablauf...“