HImbeerkuchen ohne Sahne

Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern Voller Stern
fireblade Avatar

Von

Ich habe das Buch am Samstag bekommen und es bis zum Abend fast in einem Rutsch ausgelesen. Und das, obwohl heitere Frauen-/Liebesromane nicht so mein Ding sind. Hier aber habe ich gern einmal das Genre gewechselt. Das Buch beginnt an dem Tag, an dem das Leben von Iris mit einem Paukenschlag von einer Sekunde auf die andere völlig auf den Kopf gestellt wird. Jörg, ihr Lebensgefährte, der sich zwar jahrelang von ihr bekochen und betüdeln und sogar alle 14 Tage die Nasen- und Ohrhaare schneiden ließ, verkündet ihr nach der Nasenhaarschneideaktion mit einer Flasche Bier in der Hand und während er die Sportschau aufzeichnet, dass sie innerhalb weniger Tage ausziehen muss. Er hat eine andere. Eine jüngere. Und vor allem eine, die nicht so fade ist wie Iris.

Iris fällt aus allen Wolken und verbringt die darauffolgende Nacht in ihrem Auto, weil sie nicht mit ihrem Ex in einem Haus schlafen will. Entsprechend gerädert kommt sie ins Büro, wo ihr Chef Bruno sie zu allem Überfluss auch noch bittet, seinen erwachsenen Sohn Felix zur Magenspiegelung zu begleiten. Iris hat dazu gar keine Lust, aber wie immer lässt sie sich breitschlagen. Sie bereut es allerdings in dem Moment, als Felix mit einer ordentlichen Dosis Beruhigungsmittel in den Adern ihr in der Praxis und natürlich vor den Augen und Ohren der neugierigen Patienten und Sprechstundenhelferinnen seine Liebe gesteht und sie auch auf dem Weg zur Straßenbahn noch anschmachtet. Sie fühlt sich zwar geschmeichelt, denn schließlich ist sie 38 und Felix 25, aber erstens kennt sie ihn schon viel zu lang und zweitens ist er viel zu jung..

Am nächsten Tag, als das Beruhigungsmittel seine Wirkung verloren hat, scheint Felix alles vergessen zu haben und Iris lernt seine Freundin kennen, die unumwunden ausplaudert, dass Bruno - also Felix' Vater und Iris' Vorgesetzter - für Iris schwärmt. Das trägt nicht dazu bei, ihre Stimmung zu heben und eigentlich will sie nur nach Hause und sich auf dem Sofa vergraben, aber dennoch lässt sie sich von ihrer Freundin Emma dazu überreden, mit ihr am Abend einen Kochkurs des Hausfrauenbundes zu besuchen. Und da lernt sie ihn kennen: Niklas. Ein Mann, der sie ohne Worte versteht. Der genau zu wissen scheint, was sie denkt und fühlt. Der einfühlsam ist und zuvorkommend. Der so ganz anders ist als ihr egoistischer Exfreund und der noch dazu unwiderstehliche Augen hat. 

Iris glaubt, mit ihm das große Los gezogen zu haben und kann gar nicht verstehen, warum Emma ihr Niklas madig machen will. Sie verabredet sich mit ihm und das Schicksal nimmt seinen Lauf...

Die Geschichte wird von Iris selbst erzählt, man steckt  also immer in ihrem Kopf und bekommt ihre Gedanken und Gefühle hautnah mit. Die Autorin versteht es auch sehr gut, den Leser immer unmittelbar teilhaben zu lassen, sie erzählt sehr lebendig und ich konnte mir die Figuren sehr gut vorstellen. Agnes Nelle schreibt sehr locker und flüssig und mit einer Portion Humor, ohne dass es künstlich lustig oder aufgesetzt wirkt. Die Sprache ist im positiven Sinn einfach (nicht zu verwechseln mit schlicht und einfallslos!), so dass man ihr problemlos folgen kann und keinen Satz zwei- oder dreimal lesen muss, weil er zu verschachtelt ist. In meinen Augen perfekt passend zu dieser Art von Literatur.

Was mich jedoch manchmal gestört hat, war die teilweise fast schon unerträgliche Gutmütigkeit von Iris. Die konnte ich ihr manchmal einfach nicht abnehmen. Deshalb würde ich am liebsten 4 1/2 Sterne vergeben (sozusagen Himbeerkuchen ohne Sahne), aber da das nicht möglich ist, entscheide ich mich für die volle Punktzahl, weil ich das Buch insgesamt rund finde und es mich sehr gut unterhalten und mir einen wunderbaren Sommernachmittag auf der Terrasse beschert hat.